Über die Topografie Reddelichs und Brodhagen

Von Ulf Lübs (Recherche und Layout) und Ulrich Bernau (fachliche Beratung)

Unsere Gemeinde, bestehend aus den Dörfern Reddelich und Brodhagen, liegt zwischen den Städten Bad Doberan und Kröpelin, eingebettet in die mecklenburgische Moränenlandschaft am Südostrand der Kühlung. Die 9,3 Quadratkilometer Gemeindefläche werden im Nordosten von den Feuchtwiesen der Conventer Niederung, im Osten von den Waldflächen des Doberaner Kellerswaldes und den Feldrainen der Stülower- sowie Glashäger Gemarkung flankiert. Von Südosten bis Nordwesten bilden die Ränder des Retschower Forstes und des Hundehäger Waldes die Grenzen der Gemeindeflur, während zwischen Nordwesten und Norden mal der Bachlauf der Moehlenbäk und sonst Feldränder die natürlichen Grenzen zu Steffenshagen sind. Auch im Süden, zwischen Kellerswald und Retschower Forst bildet die Winnebäk, ein kleiner Bach, eine natürliche Grenze zu unseren Nachbarn. Der höchste Punkt im Gemeindegebiet liegt mit 92 Meter über NN am Snakenbarg an der Grenze zum Retschower Forst. Am tiefsten Punkt verlässt das Bollhäger Fließ auf einer Höhe von cirka elf Meter über NN das Gemeindeterritorium. Diese etwa achtzig Meter Höhenunterschied sind ein Garant für ein landschaftlich reizvolles Oberflächenrelief

Eine Aussage über die Topografie der Region vor 500 Jahren und mehr zu treffen, erweist sich als sehr schwierig. Niemand hat sich damals die Mühe gemacht, Karten vom Gemeindegebiet zu zeichnen oder unsere Heimatregion zu beschreiben. Ich denke, Konsens besteht in der Annahme, dass im Gemeindeterritorium seit der letzten Eiszeit keine nennenswerten Bodenbewegungen stattfanden. Das heißt, es wurden in unserer Region keine Berge abgetragen oder aufgeschüttet, keine schiffbaren Kanäle gebaut und auch kein nennenswerter Bergbau betrieben. Der Kalkabbau in Brodhagen hat ein relativ kleines Loch in der Landschaft hinterlassen. Dieses ist heute mit Wasser gefüllt und von Bäumen und Büschen umwachsen. Die Sand- und Lehmförderung für innerdörfliche Bauzwecke hat kaum Spuren hinterlassen. Andernorts war das durchaus anders. Damit enden die halbwegs gesicherten Erkenntnisse über die Topografie der letzten Jahrhunderte bei uns bereits. Aber es gibt historische Anhaltspunkte, die durchaus Rückschüsse zulassen.

Das Gemeindegebiet in historischem Kartenwerk

Die Kartografen im Mittelalter beschränkten sich auf eher schematische Darstellungen der Welt. Geografie spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Wichtiges wurde groß dargestellt und unwichtiges klein. Reddelke und Brodthagen sind auf der Karte Mecklenburgs von 1645 ohne weitere Informationen eingezeichnet (Siehe Anlage). Diese Karten dienten vorrangig religiösen Zwecken. Nach der Reformation wuchs auch in Mecklenburg der Bedarf an genauen Darstellungen des Landes. Vorreiter war, wie so oft, das Militär. Genaue topografische Darstellungen waren und sind essenziell für militärische Planungen. Weniger topografische Details als viel mehr die grafische Darstellung der Nutzungsverhältnisse interessierte Beamte in den Verwaltungen und Pächter von Gütern und Hufen gleichermaßen. Sie mussten eine gemeinsame Sprache finden, wenn es um die Bewirtschaftung und Besteuerung der Flächen ging.  » Ein Bild sagt mehr als tausend Worte «.  Dieses Sprichwort ist der wohl prägnanteste Lösungsansatz für das Problem, der direkt in das heutige Katasterwesen mündete.

Topo-06

Die Kartografie begann mit aufwendig und künstlerisch gestalteten aber nicht maßstabsgetreuen Stichen in Holz oder Kupfer. Im 18. Jahrhundert wurde begonnen, die Dörfer Mecklenburgs exakt zu vermessen. Diese aufwendige Feldarbeit wurde in der Regel vom Militär übernommen.

Der älteste Bezug auf eine Flurkarte vom Gemeindegebiet stammt aus einer Vermessung von 1726 und steht in einer Sammlung von Ortschroniken, die 1947 zusammengestellt wurde. Leider lag mir bis Redaktionsschluss weder die Karte, auf die sich dort bezogen wurde, noch Angaben über den Autor vor. Daher ist mir eine Zuordnung der Bezeichnungen zur Örtlichkeit nicht möglich. Ausschließen kann ich auch keinen Fehler in der Gemeindezuordnung. Sollten diese Bezeichnungen tatsächlich der Gemarkung Reddelich zuzuordnen sein, ist es schon bemerkenswert, dass diese bereits auf Karten von Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr erscheinen (siehe rechts).


1794 veröffentlichte Friedrich Wilhelm Karl von Schmettau, ein hochrangiger Offizier, eine Generalkarte Mecklenburgs im Maßstab 1:225.000. Diese gilt als erste exakt vermessene Karte von Mecklenburg und diente als Grundlage für viele später erschienene Landkarten. Grundlage für seine Arbeit war wiederum das Werk von Carl Friedrich von Wiebeking, Architekt, Wasserbau-Ingenieur und Landvermesser. Redaktionsschluss, und somit der Referenzzeitraum des Kartenwerks, war um 1787.

Der Kartenausschnitt für unsere Region lässt einige Rückschlüsse zu. Reddelich ist dort als Straßendorf mit beidseitiger, kompakter Bebauung am Weg zwischen Jennewitz und Stülow eingezeichnet. Zur damaligen Zeit war dieser alte Handelsweg die zentrale Dorfstraße Reddelichs. Verzeichnet ist in der Karte zwar eine Poststraße höherer Klassifikation, die aber aus ihrer überregionalen, verwaltungstechnischen Bedeutung resultiert. Für die Reddelicher war dieser Weg zunächst von geringer Bedeutung. Auch führte dieser, dessen Streckenführung mit der heutigen B 105 etwa übereinstimmt, damals südlich an Reddelichs Höfen vorbei. Die Reddelich am nächsten liegenden Mühlen waren damals die wassergetriebene Badenmühle, zwischen Stülow und Hohenfelde sowie eine Windmühle zwischen Kröpelin und Jennewitz. Wir wissen nicht, in welche der Mühlen die Reddelicher Bauern ihr Korn zum Mahlen brachten, beide waren aber über den benannten Fernhandelsweg zu erreichen. Brodhagen ist in der Karte als Ort mit loser, gleichrangiger Bebauung an einer Wegschleife aufgeführt. Der Gutshof ist auf der Karte gleichrangig mit den Hufen eingezeichnet, was auf seine damals geringe Bedeutung schließen lässt. Als einziges, bedeutsames Gewässer in der Umgebung ist der Grenzbach zu Stülow, die Winnebäk, dort eingezeichnet.

Die Ältesten, mir bekannten, Flurkarten sind die von der Brodhäger Domäne aus dem Jahr 1872 und der Bewirtschaftungsplan der Reddelicher Hufe VII von Ende des 19. Jahrhunderts. Ein gutes Beispiel, mit welcher Akribie die kartografischen Abteilungen des Militärs arbeiteten, zeigt der Ausschnitt einer Manöverkarten von 1909 im Anhang.


Historische Flurbezeichnungen sind meist selbsterklärend. Aber manchmal sind diese heute nicht mehr nachvollziehbar. Dafür ist die Moehlenbäk ein gutes Beispiel. Dass die Brücke über ihr Moehlenbrügg heißt und beides an den Moehlenbarg grenzt, wird jeder Kenner der plattdeutschen Sprache für schlüssig halten. Das Dumme ist nur – es gab lange Zeit weder einen Beleg für eine vorhandene noch für eine geplante Mühle in Reddelich! Neuere Forschungen haben jedoch ergeben, dass es in Reddelich bis zum Dreißigjährigen Krieg eine wasserbetriebene Walkmühle gab. Der Standort wurde zwar nicht überliefert, ein Zusammenhang mit der Moehlenbäk ist aber sehr wahrscheinlich.

Im Juni 1930 veröffentlichte Johannes Gosselck, eine Sammlung von Flurbezeichnungen der Gemarkung Reddelich. Offensichtlich war er, während seiner Zeit als Lehrer in Steffenshagen, in der Region volkskundlerisch tätig. Für die Positionen 01 bis 14 in der Kartenlegende (siehe unten), benannte er als Quelle den Reddelicher Altenteiler Peter Barten. Für die restlichen Flurbezeichnungen hat er keine Quellen benannt. Seine Arbeit beweist die permanente Anpassung der Flurbezeichnungen. Dabei sind Veränderungen nicht immer nachzuvollziehen. Warum zum Beispiel aus der Roden Katenwisch in den heutigen Flurkarten die Roden Koeterwisch wurde, weiß wohl nur der für die Änderung verantwortliche Kartograf. Der Bezug zum roten Katen wurde jedenfalls gründlich verwischt. Gleichfalls sinnentstellend wirkt die Umwandlung der Sühring in Suhring.


Kennzeichnend für die Kartografie in der DDR war die Paranoia in der Staatsführung. Überall witterte sie Feinde. Denen durfte man es natürlich nicht zu leicht machen, von A nach B zu gelangen. Daher waren öffentliche Landkarten im besten Fall ungenau, manchmal aber auch verwirrend falsch. So ist der Informationsgehalt der Schulkarte aus den 1970er Jahren (siehe unten) doch recht dürftig. Offensichtlich wurden für diese Karte Vorlagen aus dem 19. Jahrhundert verwendet und mit zeitnahen Informationen vermischt. So sucht man die Reddelicher Moelenbäk dort genauso vergeblich, wie den Weg von der F 105 nach Brodhagen. Dieser wurde zwar erst 1975 befestigt, war aber Ende des 19. Jahrhunderts bereits vorhanden.

Deutlich besser versorgt mit kartografischen Informationen wurden die Funktionäre in Wirtschaft und Politik. Dem Ausschnitt einer topografischen Karte mit dem Stempel Vertrauliche Dienstsache kann man deutlich mehr Informationen entnehmen. Heute würden die Geheimniskrämer von früher sich die Haare raufen. Für Geld bekommt man heute Satellitenaufnahmen in fast jeder Auflösung, von jedem Winkel der Erde und das nahezu in Echtzeit. Selbst Gratisdienste wie Google Map bieten exzellentes Kartenmaterial für jedermann.
Mit ihren Kartenbeständen, die wie eingangs erwähnt, oft auf die Arbeit der Vermesser und Kartografen aus dem 18. Jahrhundert aufbauen, möchten die Behörden noch Geld verdienen. Dies wird jedoch immer schwieriger. Einmal digitalisiert ist eine Verbreitung von Kartenmaterial kaum zu stoppen.