2018: Der Bürgermeister zur Perspektive für die Reddelicher Kita

Am 20. Februar veröffentlichte der Bürgermeister einen Artikel zur Kita-Perspektive in Reddelich. Dieser entfachte eine kurze und kontroverse Diskussion. Dazu trug sicher auch bei, dass in dem Schreiben die Ministerpräsidentin von M-V, Manuela Schwesig und die Kreisverwaltung direkt angesprochen wurden. Grund war, dass die Gemeinde Reddelich sich sowohl vom Landkreis als auch von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern im Stich gelassen fühlte.

Im politischen Willen zur langfristigen Fortführung einer Kita in Reddelich besteht Konsens. Es darf also davon ausgegangen werden, dass ich an dieser Stelle für eine große Mehrheit der Einwohner der Gemeinde Reddelich und der Umgebung spreche.

Seit Herbst 2015 herrscht in der Gemeindevertretung Klarheit, dass sich der Betrieb unserer Kindertagesstätte im jetzigen Gebäude mittelfristig nicht aufrechterhalten lässt. Seitdem betreibt die Gemeindevertretung aktive Planung zur Zukunft der Kita. Von Beginn an sind das Amt Bad Doberan-Land, die interessierten, potenziellen Träger der Einrichtung sowie das Jugendamt des Landkreises in die Planungen einbezogen. Im Ergebnis dieses Prozesses steht ein Bedarf von rund fünfzig Betreuungsplätzen in Reddelich. Das bedeutet eine Erweiterung der bestehenden Kapazität von 28 Plätzen um ca. 22.

Der Standort

Als optimaler Standort für eine neue Kita hat sich die Nord-West-Ecke des Reddelicher Gewerbegebietes herausgestellt. Diese Meinung ist nicht als Schnapsidee auf einem Dorffest entstanden oder eine Marotte von mir. Sie ist das Ergebnis eines längeren Meinungsbildungsprozesses innerhalb der Gemeinde. Sollte dieser Prozess beschrieben werden, finden sich dort Begriffe wieder wie: Demokratie, Optionen, Abwägung, Nutzungskonzepte, Kosten u. ä. Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, dass die Alternativen nicht sehr zahlreich sind. Dies hat viel damit zu tun, dass die Gemeinde in der Vergangenheit den Empfehlungen von außen gefolgt ist und alles verscherbelt hat, was sich irgendwie zu Geld machen ließ. Dadurch fehlen heute Grundstücke, die eine Alternative zum Gewerbegebiet sein könnten.

Wie ist der aktuelle Stand?

Die Weiterentwicklung des Projektes Kita-Umzug hakt nun an zwei Stellen:

  • Der angedachte Standort im Gewerbegebiet ist nicht förderfähig. Oder genauer gesagt: Wir haben die Aussage vom Landkreis und der Landesregierung bekommen, dass dort keine Fördertöpfe für unser Projekt bekannt sind. Das gesamte Preisgefüge bei der Kinderbetreuung ist aber so aufgestellt, dass Investitionen ohne Fördermittel faktisch nicht umsetzbar sind. Schon gar nicht für eine Gemeinde wie der unsrigen, die in einer Haushaltskonsolidierung steckt.
  • Um technische Rechtssicherheit zu bekommen, hat die Gemeinde im Oktober 2017 eine Bauvoranfrage zur Errichtung einer Kita im Gewerbegebiet gestellt. Das Ergebnis liegt nun vor. Es ist eine Ablehnung. Grund für die Ablehnung ist nicht etwa eine eindeutige Gesetzeslage sondern – wenn ich das Schreiben vom Landkreis richtig interpretiere – ein schlechtes Bauchgefühl der zuständigen Sachgebietsleiterin im Kreisordnungsamt. Stein des Anstoßes ist ein Platz im Gewerbegebiet, auf dem an wenigen Tagen im Jahr Beton recycelt wird. Die Befürchtung ist weniger, dass sich die dort arbeitenden Bauleute durch den Lärm von fünfzig spielenden Kindern beeinträchtigt fühlen sondern doch eher umgekehrt.

Der Hauptausschuss der Gemeinde hat in seiner letzten Sitzung der Versuchung widerstanden, es beim jetzigen Stand zu belassen und in das allgemeine Schulterzucken einzusteigen. Das ist zwar eine bequeme Brücke, die uns dort gebaut wurde. Die Gemeindevertretung hat ihr Wählermandat jedoch nicht angenommen um es schön bequem zu haben. Behördenmitarbeiter wurden nicht gewählt, sie können es sich also recht bequem machen. Rechenschaft ablegen … aber lassen wir das. Der Hauptausschuss jedenfalls hat den Widerspruch zum Vorbescheid der unteren Bauaufsicht und ggf. Klage gegen den Bescheid beschlossen. Die Gemeinde wird weiterhin für ihre Kinderfreundlichkeit, über den verbalen Bereich hinaus, einstehen und für den Erhalt des Kita-Standortes Reddelich kämpfen.

Was erwarten wir von der Regierung und der Kreisverwaltung?

Verehrte Frau Ministerpräsidentin,
Sie haben richtig gelesen. Wir fühlen uns von der Landesregierung, der Sie vorstehen, im Stich gelassen. Bei der essentiellen Frage nach Fördermöglichkeiten unseres Projektes "Kita-Umzug" haben wir auch in ihrem Haus nur ratloses Schulterzucken bekommen. Verbales Schulterklopfen und Respektsbekundungen in Sonntagsreden zur Kinderbetreuung Vorort bekommen wir reichlich. Nur wenn es konkret wird, lichten sich die Reihen der Unterstützer. Sozusagen als Krönung des Ganzen musste ich dann vom NDR erfahren: »Mecklenburg-Vorpommern lässt offenbar Hilfen des Bundes ungenutzt. Das Land hat als einziges Bundesland bisher kein Geld aus einem 3,5 Milliarden Euro schweren Fonds für finanzschwache Kommunen abgerufen – dem sogenannten Kapitel 1 des Kommunal-Investitionsförderungsgesetzes. Gut 80 Millionen Euro stellt der Bund allein Mecklenburg-Vorpommern für Infrastrukturmaßnahmen bereit. Das Geld kann seit 2015 vor allem für den Städtebau – beispielsweise Sporthallen-Sanierung oder Kita-Neubau – genutzt werden.« Zuerst dachte ich ja noch an einen satirischen Streich der Nachrichtenplattform Der Postillon – aber die besten Geschichten schreibt doch das Leben. Fonds für finanzschwache Kommunen, Kita-Neubau – diese Stichwörter lassen mich sofort vermuten: Die Bundesregierung hat bei der Aufstellung dieses Fonds an Reddelich gedacht!

Frau Schwesig, wenn Sie sich nicht um Reddelich kümmern können, weil es in unserem Land hunderte "Reddelichs" gibt, habe ich Verständnis dafür. Wenn Sie keine Zeit für unsere Nöte haben, weil Sie ihre Partei retten müssen oder Frau Merkel bei der Installation einer Regierung helfen wollen, haben Sie vielleicht Verständnis, dass ich dafür keines habe. Vielleicht heißt das Gebot der Stunde ja: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

Dem Landkreis kreide ich an, dass dort die lange und aufwendige Vorarbeit der Gemeinde für die Kita-Erhaltung einfach negiert wird. Das in der Verfassung garantierte Recht auf Selbstverwaltung der Kommunen wird dort wohl eher als Kann-Bestimmung gesehen. Eine lapidare Ablehnung aus Gründen des Immissionsschutzes ist bequem und zieht immer. Ein konstruktiver Dialog zur Problemlösung – Fehlanzeige!

Verehrte Damen und Herren der Kreisverwaltung,
vor Emissionen kann man Projekte, wie das unsrige, auch durch bauliche Maßnahmen schützen. In unserem speziellen Fall ist das emittierende Unternehmen bereits Beschränkungen durch die Betriebserlaubnis unterworfen. Die maximal erlaubten 7000 Tonnen p. a. sind bei einem durchschnittlichen Durchsatz von 100 Tonnen p. h. in 70 Stunden recycelt. Zwischen Emittenten und Immissionsstandort befinden sich Bebauung und eine Wildhecke. Auf einem Grundstück hat ein Landwirt seine Maschinen- und Lagerhalle sowie sein Wohnhaus stehen. Auf dem anderen Grundstück ist derzeit eine Werkhalle für eine Autowerkstatt mit Büro- und Wohnteil geplant. Diese beiden Grundstücke sind durch eine Wildhecke getrennt. Diese ist durch den B-Plan geschützt. Dies alles zusammen bietet schon mal einen gewissen Schutz vor den Emissionen der Recyclinganlage. In jedem Fall sehe ich darin Komponenten, über die man diskutieren könnte. Den Konjunktiv verwende ich, weil eine fruchtbare Abwägungsdiskussion nur Sinn macht, wenn alle Beteiligten an einer Lösung interessiert sind. Vielleicht bietet das Widerspruchsverfahren ja konstruktive Lösungsansätze. Was wir nicht möchten ist, das Unternehmen, dass dort Beton recycelt, weiter einzuschränken. Es ist ein Gewerbegebiet und das soll es auch bleiben. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass sich Baustoffwirtschaft und Kinderbetreuung nicht nur vertragen sondern durchaus symbiotisch existieren können. Kindern die ich kenne, ist ein Betonschredder eher ein hochinteressantes Objekt kindlicher Neugier als eine lärmende Höllenmaschine.

Epilog

In aller Unmissverständlichkeit möchte ich abschließend betonen: Es geht uns um den mittel- und langfristigen Erhalt des Kita-Standortes Reddelich. Dies ist, nach heutigem Stand nicht gesichert. Unsere Planungen enthalten keinerlei luxuriösen Komponenten. Gradmesser ist einzig eine nachhaltige Kinderbetreuung. Konstruktive Ideen und Lösungsvorschläge dazu nehmen wir gerne entgegen.

Ulf Lübs, Bürgermeister

Die relevanten Standorte in der Örtlichkeit

Nachlese

Die Reaktionen auf seinen öffentlichen Brief vom 20. Februar 2018 veröffentlichte der Bürgermeister am 18. März 2018:

Vor fast vier Wochen habe ich einen Artikel zu Perspektiven des Kitastandortes Reddelich veröffentlicht. Nein, aufgelöst hat sich unser Dilemma nicht. Aber zwischenzeitlich haben alle dort direkt Angesprochenen geantwortet.

Erwartungsgemäß wurden weder in der Landesregierung und schon gar nicht in den Behörden des Landkreises Fehler gemacht. Es ist schon verzwickt, niemand hat sich etwas vorzuwerfen – außer wir, die Gemeinde vielleicht. Dass wir aber auch so bockbeinig sind und unbedingt eine Kita in Reddelich behalten möchten. Trotzdem sehen wir uns in einer Sackgasse, mit Wendeverbot, vor einer massiven Mauer stehen.

In den Reaktionen fand sich auch die sinngemäße Aussage: »Nun hat solch eine Kita in einem Gewerbegebiet aber auch nichts zu suchen!« Interessanterweise kam dieser Spruch ausschließlich von Leuten, die sich die örtlichen Verhältnisse bestenfalls auf Google Earth angeschaut haben.

Eines jedenfalls hat hat der "Brandbrief", wie der Artikel in einer Zuschrift aus Wesel in Nordrhein-Westfalen bezeichnet wurde, bewirkt: Es wurden von allen Beteiligten Gesprächsangebote gemacht. Die Organisation eines "Rundtischgesprächs" läuft derzeit.

Gearbeitet wird aber auch an der Begründung des Widerspruchs zur Ablehnung unserer Bauvoranfrage für einen neuen Kita-Standort. Da müssen wir rechtliche Fristen einhalten. Im Gegensatz zu der lapidaren Begründung, die wir für die Ablehnung unser Bauvoranfrage erhalten haben, soll unser Widerspruch weniger auf Bauchgefühle basieren. In einem Abbild der komplexen Rechtslage für das Thema steckt viel Arbeit die wiederum ihre Zeit braucht. Auch wenn uns das Amt Bad Doberan-Land nach Kräften unterstützt, werden wir um externe Hilfe nicht herumkommen.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Schlussstrich vorerst wohl noch nicht gesetzt werden kann. Auch wenn es in der Öffentlichkeit etwas ruhiger in der Angelegenheit wird und wir nicht mit einer schnellen Lösung rechnen – wir halten das Projekt am Köcheln.

Ulf Lübs, Bürgermeister