1849: Deputiertenversammlung der Hauswirthe, Büdner und Einlieger

2. Deputiertenversammlung der Hauswirthe, Büdner und Einlieger Mecklenburg-Schwerins am 31. März 1849 im Schützenhaus zu Schwerin

Auch dieser Versammlung ging, am 30. März, eine Vorversammlung voraus. Im Protokoll ist die Rede von »… einer beträchtlichen Zahl an Mitgliedern«, die sich dort eingefunden hatten. In den Hauptvorstand der Versammlung wurde ein Tagelöhner Mainz der Jüngere aus Glashagen gewählt. Ob es sich dabei um das Glashagen aus dem Amt Doberan handelt, konnte noch nicht geklärt werden.

Anders als im Januar wurden auf der Märzsitzung vier Abteilungen gebildet, in denen zuerst beraten und abgestimmt werden sollte:

  1. Erbpächter und Hauswirthe,
  2. Büdner und Häusler,
  3. Tagelöhner und Einlieger sowie
  4. Handwerker auf dem Lande
Sitzungen der Abteilungen am 31. März

Die stimmberechtigten Teilnehmer der I. Abteilung wurden im Protokoll aufgeführt. Aus dem Amt Doberan war augenscheinlich niemand dabei. Einig wurde man sich, zu welchen Konditionen Hauswirthe ihre Betriebe übernehmen können. Zusätzlich wurde noch eine Petition entworfen, mit dem Inhalt: »Das bis dahin, wo die kleinen Eigenthümer volle Jagdfreiheit erlangt haben und der Wildstand gehörig abgemindert sei, den Nutznießern der vom Wilde heimgesuchten Ländereien volle Entschädigung von Seiten des Staates zu Theil werde.«

In der II. Abteilung tagten die Büdner. Auch dort war niemand aus dem Amt Doberan vertreten. Ein (Landtags-) Abgeordneter Mussehl aus Kröpelin wohnte der Sitzung bei. Es wurde dort sehr viel diskutiert und einige Beispielrechnungen demonstriert. Ein klares Votum für die Hauptversammlung erbrachte das Gremium jedoch nicht.

Die Tagelöhner und Einlieger tagten in der III. Abteilung. Dort gab es gleich drei Vertreter aus Glashagen (Mainz, Ahrens und Brüning), wobei aber nicht klar war, welchem Amt diese angehörten. Es war die Abteilung, in der am intensivsten diskutiert wurde. Die Details gingen bis zur Frage, wieviel Stroh der Tagelöhner zur Füllung seines Bettzeuges, zur Einstreu und dem Einmieten seiner Kartoffeln beanspruchen durfte. Nachfolgender Protokollausschnitt gibt eine Vorstellung, mit welchem Detailreichtum dort diskutiert wurde:

Bei diesem hohen Grad der Verzettelung war es kein Wunder, dass die Diskussion vom Versammlungsleiter ohne Ergebnis abgebrochen wurde.

Die tagenden Handwerker in der IV. Abteilung diskutierten sehr effizient. Im Grunde drehte sich die Diskussion um eine Gleichstellung mit den Handwerkern der Städte. Als Essenz kann man den Wunsch betrachten, es den ländlichen Handwerkern zu ermöglichen, sich städtischen Zünften anzuschließen.

Hauptsitzung am 31. März

Auf der anschließenden Generalversammlung wurde über die Ergebnisse der Abteilungssitzungen gesprochen und abgestimmt. In der I. Abteilung wurde festgelegt:

  1. Verfassen einer Petition zur Installation von Schiedsstellen deren Rechte und Pflichten in Gemeindeordnungen zu regeln sind. Die Schiedsstellen regeln Konflikte bei der Vererbpachtung der Hauswirtsstellen.
  1. Die Ablösbarkeit der Erbpacht wird als Möglichkeit gefordert, wobei die Abzinsung nicht höher als sechs Prozent angesetzt werden soll. Bei der Zeitpacht fasste ein Delegierter zusammen:

In den Abteilungen II und III kam auch die Generalversammlung nicht zu einem Ergebnis. Anders bei der IV. Abteilung, den Handwerkern. Hier der Schlusssatz:

Sonderteil Schulwesen

Einen großen Teil des Berichtes über die Deputiertenversammlung nimmt das Schulwesen in Mecklenburg ein. Insbesondere im ritterlichen Teil Mecklenburgs. War das Schulwesen im Domanium in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit rückschrittlich noch wohlwollend beschrieben, konnte man in vielen ritterlichen Gütern und Dorfern kaum von einem organisierten Schulwesen sprechen. Reformen waren dringend notwendig. Das erkannten auch die Deputierten und wandten sich in der Versammlung dem damals leidigen Zustand des Volks-Schulwesen mit den besonders zu bedauerden, ritterlichen Landschulen zu.

Das ritterschaftliche Schulwesen in der Kritik

Der Deputierte Metelmann, offensichtlich ein Mitglied der neu gebildeten Schweriner Abgeordnetenkammer eröffnete das Thema mit einer leidenschaftlichen Einführung , die auszugsweise hier wiedergegeben werden soll:

Damit man halbwegs die Bedingungen und Ursachen für die zu Recht geschilderten schlechten allgmeinen Zustände erfassen kann, sei noch folgende Bemerkung gestattet. Das ritter-und landschaftliche Landschulwesen in unserem Mecklenburg war Teil des Volksschulwesens, nämlich desjenigen Teils, welcher getrennt von dem Schulwesen in den Großherzoglichen Domänen, dem Domanialschulwesen war. Seit der Gültigkeit des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs LGGEV von 1755 untersteht dieser Teil der Schulverwaltung den Gutsobrigkeiten und den Klöstern. Seit dieser Zeit nahmen die Verhältnisse hier eine eigenartige, besondere Entwicklung, die bis 1919 fortdauern sollte. Die politische Dreiteilung Mecklenburgs in städtisches, domaniales und ritterschaftliches Grund-und Rechtsgebiet, gab mit der landständischen Verfassung, in der die Stände als Grundbesitzer selbst alle obrigkeitslichen Rechte über ihre Hintersassen ausübten, die Richtung vor. Damit war die Gestaltung des Schulwesens dem weitgehendst idividuellen Einflußbereich der Gutsherren ausgeliefert, zumal durch diese wenig oder keine landesherrlichen Regelungen zugelassen wurden. Wie wenig diese Bedingungen für das Land von Segen waren, äußerte sich in den Aus-und Einlassungen der Delegierten.

Epilog

Die Protokolle dieser Versammlung sind ein wichtiges Zeitzeugnis für Mecklenburg. Es relativiert die Vorurteile für ein ach so rückständiges Land doch etwas. Es zeigt, dass auch die unteren Stände der Landbevölkerung nicht mehr gewillt waren, alles zu ertragen und durchaus in der Lage waren sich zu organisieren. Viele Beiträge dort waren getragen von den Gedanken der bürgerlichen Revolution. Es fehlte die Gewaltbereitschaft – auf beiden Seiten. Das mag Mecklenburg einen Nimbus des biederen beschieden haben, war aber durchaus vernünftig.

Die dort gefassten Beschlüsse sind allesamt als Verhandlungsbasis der Ländlichen Vereine zu sehen, mit denen diese an den Landtag und das Herzoghaus herantreten sollten. Das der Herzog und die Ritterschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch stark genug waren, die meisten Forderungen abzubügeln, die in den Delegiertenversammlungen gestellt wurden, war das eine. Auf der anderen Seite war die Saat des Fortschritts auch in Mecklenburg gelegt. Es sollte noch bis zur Reichsgründung 1871 dauern, bis viele Ideen und Forderungen dieser Versammlung umgesetzt wurden. Einen großen Fortschritt stellte alleine die Tatsache dar, dass solch eine Sitzung überhaupt und in der Landeshauptstadt abgehalten werden konnte, ohne dass die Teilnehmer mit Repressalien rechnen mussten.

Dass das Amt Doberan dort kaum vertreten war, mag mit dem Status als Domanialamt zusammenhängen. Den Bewohnern dort ging es vergleichsweise besser, als denen auf den Rittergütern.

Artikel aktualisiert am 17.04.2023