Ein Artikel aus der Reddelicher Dorfzeitung Raducle
, Ausgabe 12 (2010) von Reinhold Griese:
In den Jahren bis 1945 gab es immer wieder Beschwerden über das Züchtigungsrecht (Prügelstrafe) der Lehrer. Im Jahre 1906 wurde dazu festgestellt, dass dieses Züchtigungsrecht dann überschritten war, wenn ein Amtsarzt eine Schädigung der Gesundheit des Schülers festgestellt hatte.
Meinen ersten Schultag am 1. September 1943 werde ich diesbezüglich nicht vergessen. Lehrer Hans Mahn demonstrierte uns Jungen, wie wir uns gebückt vor ihm hinstellen mussten, um eventuell mit dem Rohrstock Schläge zu bekommen. Danach bekamen wir die Hausaufgabe, die erste Seite aus der Fibel lesen zu lernen und abzuschreiben. Dann konnten wir nach Hause gehen. War das zu Hause ein Stress. Gemeinsam mit meiner Mutter bemühte ich mich unter Tränen, den Text lesen zu lernen und abzuschreiben. Wie ich das dann endlich geschafft habe, weiß ich heute nicht mehr. Vielleicht war es ein natürlicher Ehrgeiz, der mich eigentlich durch mein ganzes Leben begleitet hat. Vielleicht war es auch ein bisschen Angst vor dem Rohrstock. Es war wohl beides.
Den Rohrstock habe ich selbst nicht zu spüren bekommen. Wohl aber habe ich erlebt, wie Mitschülern das Lesen mit Hilfe von Prügeln eingepaukt wurde. Sehr ungern erinnere ich mich daran, dass mein Mitschüler Alfred zur Strafe von Lehrer Mahn regelrecht verprügelt wurde. Alfred wurde mit einer Wäscheleine auf dem vorderen Schultisch festgebunden und so geschlagen, dass der Rohrstock entzweibrach. Dann musste das Tafellineal als Stock herhalten. Bei dieser Prügelorgie ging die Glocke der vorderen Lampe zu Bruch. Während meiner Schulzeit in Reddelich erinnerte die kahle Glühlampe immer an dieses Ereignis.
Reinhold Griese, 2010