Das Kirchspiel Steffenshagen

von Ulf Lübs (Text und Recherche)

Reddelich und Brodhagen gehören zum Kirchspiel (Pfarrbezirk) Steffenshagen. Seit wann das so ist, konnte nicht ermittelt werden. Zu vermuten ist, dass unsere Vorfahren seit der Weihe der Steffenshäger Kirche, Mitte des 13. Jahrhunderts, dort ihre Religion ausübten. Die frühgotische Kirche in Steffenshagen, an der noch romanischer Einfluss zu erkennen ist, zählt zu den schönsten und größten Dorfkirchen in Mecklenburg.

Bau, Architektur und Nutzung der Kirche als Gebäude hat Axel Kähler [31] in der von Ihm verfassten Chronik von Glashagen ausführlich beschrieben:


 1273 wurde Steffenshagen mit Filialkirche des Klosters Doberan erstmalig schriftlich erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt war die Macht des Christentums in Mecklenburg bereits absolut. Die Missionierung der Slawen war abgeschlossen. Wer sich nicht zum Christlichen Glauben bekannte wurde auch aus den Dorfgemeinschaften ausgeschlossen und war praktisch vogelfrei. Dies kam damals einem Todesurteil gleich. Eine weltliche Macht gab es im Leben der Mecklenburger nicht. Selbst der Herzog in Schwerin konnte nicht gegen die Kirche regieren.

In einer Urkundensammlung, zusammengestellt und veröffentlicht 1734, wurden die Vogteien unserer Region, für das Jahr 1480, aufgelistet. Die dort getroffenen Aussagen stehen im Widerspruch zur allgemeinen Geschichte der Steffenshäger Kirche. Danach hätte die Kirche 1480 schon fast 200 Jahre an der Grenze zwischen den Vogteien Vorder-Bollhagen mit den zugehörigen Dörfern Reddelich und Ober-Steffens-Hagen sowie Hinter-Bollhagen mit Nieder-Steffens-Hagen, Bollhagen, Wittenbeck, Diederichshagen und Fulgen gestanden. Eine schwer vorstellbare Konstellation.

Die Reformation von 1552 änderte dieses Machtgefüge, auch für die Reddelicher und Brodhäger. Sie waren nicht mehr Untertanen des Klosters Doberan sondern der Schweriner Herzöge. Die Veränderungen der allgemeinen Verhältnisse sind in den Kapiteln zu den Epochen beschrieben. Was blieb war der Glaube mit seinen Riten und Gewohnheiten. Der jeweilige Pastor in Steffenshagen blieb auch für die Reddelicher und Brodhäger nach der Reformation eine Autorität.

Im Mai 1771 wurde per Circularverordnung (Rundschreiben) an die Superintendenten konkretisiert:

§ 155
Weiber aber, und also auch die am Feuer und Herd ihrer Männer besitzen gebliebenen Witwen verstorbener stimmfähiger Hauswirthe sind von der Stimmführung überall ausgeschlossen; Welches jedoch auf die Gutsbesitzerinnen die darin ein gesetzmäßiges Herkommen für sich haben, nicht zu deuten ist.

1828 sah sich der Herzog gezwungen Details der Predigerwahlen per Verordnung zu regeln:

Handbuch des Mecklenburgischen Kirchen- und Pastoralrechts, Bärensprungverlag Schwerin, 1783

Zum Kirchspiel Steffenshagen gehörten 1818 Klein -, Vorder-, und Hinterbollhagen sowie Brodhagen, Fulgen, Glashagen, Reddelich, Ober-, Nieder- und Meierei Steffenshagen, Stülow und Wittenbeck. M. Baade aus Reddelich war der Jurat, wie man damals zum Kirchenvorsteher sagte. Zentrum der Gemeinde blieb über die Jahrhunderte die Kirche in Steffenshagen. Ein Bauwerk, dass allen modernen statischen Berechnungen zum Trotz nicht umgefallen ist. Sie hat viele Kriege und mehrere Gesellschaftsordnungen überdauert und ist heute Zeugnis für die Macht der Gemeinschaft.

Vertreter der Amtskirche zur Glaubensvermittlung sind und waren die Pastoren, die bis in die jüngere Vergangenheit auf dem Steffenshäger Pfarrhof lebten. Den Pastoren zur Hand gehen die Küster, das sind Gemeindemitglieder, die sich ehrenamtlich um die kirchlichen Einrichtungen kümmerten. Der Begriff Küster stammt vom lateinischen custos und bedeutet Hüter, Wächter. Während die Kirchgemeinden mit ihren Vorständen auf die Menschen eher abstrakt wirken, sind die Küster oft die ersten Ansprechpartner. Dies ist auch in der Kirchgemeinde Steffenshagen so. Viele kommen mit ihren Anliegen zuerst zur Küsterin. Der Pastor wird eher als Amtsperson gesehen, der dazu auch noch für Retschow zuständig ist. Frau Brüsehaber, die gegenwärtige (2017) Küsterin formulierte das so: »Ich sehe mich als das Gesicht der Kirchgemeinde. Die Menschen kennen mich und vertrauen mir.« Zuständig ist sie für die Kirche und den Friedhof in Steffenshagen. Ihre Tätigkeit mit der eines Hausmeisters in einer Behörde oder eines Unternehmens zu vergleichen, würde es am ehesten treffen. Nur liegen die Aufgaben der Küster nicht nur im technischen Bereich sondern auch im Umgang mit Menschen.

Auch Frau Brüsehaber kann nicht alles, was in Kirche und auf dem Friedhof getan werden muss, alleine bewältigen. Da ist schon etwas Organisationstalent gefragt. Mit einem Lächeln erzählte sie mir, dass sie den guten alten Subbotnik aus DDR-Zeiten in den Kapitalismus gerettet hat. Wenn sie bei anstehendem Frühjahrsputz in der Kirchgemeinde fallen lässt: »Wir sollten mal wieder einen Subbotnik veranstalten.«, weiß jeder, dass aufgeräumt werden muss. Eine Hilfe ist es ihr auch, dass Frau Rödel aus Steffenshagen den Schlüssel für die Kirche übernommen hat. Sie wohnt in der Nähe und schließt die Kirche zu den Öffnungszeiten oder bei Bedarf auf und zu.

Mitte der 1980er Jahre wurde der Kirchturm eingerüstet und das Dach saniert. Ein Kraftakt, der mit viel ehrenamtlichem Engagement bewältigt wurde. Ende 1986 wurde das Gerüst entfernt und die Sanierungsarbeiten gingen innerhalb des Bauwerks weiter.


Die Pastoren im Kirchspiel

Über die Pastoren des Kirchspiels vor der Reformation ist nichts bekannt. Der Pastor, der die Reformation begleitete hieß Joachim Reinick. Vor seiner Berufung 1542 war die Pastorenstelle drei Jahre nicht besetzt. Sein Vorgänger ist der »Not halber fortgezogen … es ist zu erbarmen, dass der Abt nicht ein besser Einsehen darin hat.«, wie es in Unterlagen vermerkt wurde. Nun, der Abt hatte offensichtlich ein spätes Einsehen und ließ die verfallenen Gebäude des Pfarrhofes wieder herrichten. Der letzte Hinweis auf Pastor Reinick stammt aus dem Jahr 1577.

1597 wurde Martin Hagen in das Pastorenamt berufen. Er starb 1614. Dann tut sich in den Akten zum Kirchspiel eine Lücke bis 1633 auf. In diesem Jahr wurde Christian Leistmann in das Pastorenamt berufen, das er bis zu seinem Tod 1652 ausübte.

Im Anschluss wurde Christoph Thode aus Hanstorf Pastor. Er heiratete die Tochter des Steffenshäger Gutshofpächters, Anna Bademöller. 1660 sah sich Pastor Thode gezwungen, mit seiner Familie und den Steffenshäger Gemeindemitgliedern nach Rostock zu fliehen, wegen »der Kaiserlichen und Kroaten«. Zu der Zeit tobte der Schwedisch–Polnische Krieg in Mecklenburg. Ob auch andere Dörfer mitgeflohen sind ist nicht bekannt. Pastor Thode starb noch im Rostocker Exil im Alter von 35 Jahren. Er wünschte in Steffenshagen beigesetzt zu werden. Sieben Mitglieder seiner Gemeinde brachten daraufhin seine Leiche nach Steffenshagen und siedelten sich als die ersten wieder in Niedersteffenshagen an.

1661 wurde Joachim Berends Pastor, der wahrscheinlich 1631 in Parkentin geboren wurde. Er heiratete die Witwe seines Vorgängers und machte diese durch sein Ableben 1687 erneut zur Witwe.

Johann Sehusen bekleidete das Pastorenamt von 1688 bis 1715. Er heiratete die Tochter seines Vorgängers, Marie Berends. 1723 lebte er nachweislich noch. Warum er das Pastorenamt nicht bis zu seinem Tod ausübte, wie es damals üblich war, ist nicht überliefert. Auch eine Berufung in ein anderes Kirchenamt wäre vermerkt worden.

Als erster, durch (Kirch-) Gemeindewahl berufener Pastor, übernahm Johannes Christian Holstein 1715 das Kirchspiel. Auch er heiratete die Tochter seines Vorgängers, Marie Dorothea Sehusen, die 1723 im Kindbett starb. Seine zweite Ehe führte er mit Marie Elisabet Kunstmann. Von ihr ist lediglich ein Lebenszeichen von 1743 überliefert. 1746 heiratete Pastor Holstein zum dritten Mal. Seine Frau wurde Eva Isabe Mahnke aus Retschow. 1761 starb Pastor Holstein.

1751 nutzte Pastor Holstein die Erstellung von Beichtkinderverzeichnissen um seine wirtschaftliche Situation darzustellen:

  1. Diese Pfarre kann sich rühmen des Patronats Sr. Herzogl. Durchl. unsers gnädigsten Landesherren.
  2. Der Prediger an diesem Ort ist Johann Christian Holstein, vociret Ao 1715.
  3. Die eingepfarrten Höfe und Dörfer sind folgende: als der Herzogl. Hof Vorder Bollhagen, Hinter Bollhagen und Glashaqen Der eingepfarrten Dörfer sind überhaupt sieben:
    1. Das Herzogl. Dorf Ober und Nieder Steffenshagen. Ober Steffenshagen bestehet an jetzo aus 7 Vollhüfnern, 2 Cossaten, 2 Handwerkern, als einem Schneider und 1 Weberswitwen und einem Einlieger im Witwenhause.
      NB. Der Schmied ist mit zu den Cossäten gerechnet.
    2. Nieder Steffenshagen bestehet aus 6 Vollbauren, 2 Cossaten und 1 Weber, der Müller ist mit unter den Bauren zu zählen und Herzogl. Unterthan.
    3. Das Herzogl. Dorf Redlich, darin wohnen 7 Voll- und 3 Halb-Hüfner, 2 Weber und etl. Einlieger.
    4. Das Herzogl. Dorf Stülow. Darin sind 5 Vollbauren, 5 Cossaten, 1 Weber und etl. Dröscher. Ohnweit Stülow ist eine Mühle, die Bademühle genannt:
    5. Der Müller ist ein Freymann und heißt Sihmsen.
    6. Das Herzogl. Dorf Glashagen, darin wohnen 4 Vollbauren, ein Schäfer und 1 Dröscher.
    7. Das Herzogl. Dorf Wittenbek, darin 5 Vollbauren, 1 Rademacher und Einlieger.
    8. Das Herzogl. Dorf Baur- oder Hinter-Bollhagen, da vor Alters eine Capelle gestanden, davon die rudera noch zu sehen. Darin 1 Vollbaur, 4 Cossaten und ein Einlieger wohnet. Eine kleine Distance davon, zu Fulgen, wohnet der Strandreiter Hardnak, auch ein Herzogl. Unterthan.
    9. Das Herzogl. Dorf Brodhagen, darin ein kleiner Hof, welchen Hinr.Schumacher bewohnet, darin 3 Bauren, 8 kleine Cossaten, 1 Zimmermann und Dröscher wohnen, welche zum Theil nach Dobberan, zum Theil nach Vorder Bollhagen zu Hofe dienen.
  4. Gewisse jährl. Geldhebungen sind bei dieser Pfarre nicht, außer die 4 Kthl Hausmiete, so gibet, der im Witwenhause wohnet, dabei ein kleiner Küchengarten am Kirchhofe, etwa von einem Scheffel Saat Acker.
  5. Das Vier Zeiten Geld wird bei dieser Pfarre nicht gegeben, sondern der Prediger bekömmt nur, wenn er auf Michaelis im Kirchspiel umbfährt, von einer jeden Person, die zum Abendmahl gehet, einen Schilling, welches, weil die Pensionari und ihr Gesinde, auch die auf dem Altenteil wohnen nichts geben, ohngefähr 1o Rthl bringet.
  6. An Wurst und Eiern von denen Höfen und Bauren bringet etwan 5 Rthl. Die beiden Bollhagen geben jährl. auf Ostern eine halbe Seite Speck. Die Schäfer geben ein Schock Schafskäse.
  7. An Mißkorn wird auf Michaelis aus dem ganzen Kirchspiel von Höfen und Dörfern gesammlet 5 Drömbt und 2 Scheffel an Rocken.
  8. Der Pfarracker soll vermöge Visit.Protocolli sein eine Hufe, jährl. nicht mehr gesäet werden als 5 bis 6 halb Drömpt an Rocken, 9 bis 11 Scheffel an Gersten, 2 bis 3 Scheffei Erbsen. Weil der Acker wenig und dazu schlecht: das übrige an Haben [Hafer]. Es haben die vorigen Prediger mit denen damaligen Pensionarien als nahe Anverwandten ohne Herzogl. Consens die Kirchenäcker so, wie sie einem jeden nahegelegen vertauschet, mit der Zeit aber, da die Verwandten gestorben, haben die Pensionari den Hofacker wieder zu sich genanten, wie denn auch nach 18 Jahren etl. Drömbt Acker, so für undenkl. Jahren auch bei der Pfarre gewesen und an der Seite des Pfarrackers lieget, gewaltsamer Weise auch abgenommen worden, deswegen alle Jahre viel Sommerkorn in meiner Haushaltung zukaufen und mein Altargebühr dazu anwenden muß. Es hat zwar die Kirche noch eine halbe Hufe beim Glashagen, weil sie aber sehr weit von der Pfarre und in der Längde an der Seiten an der dortigen Herzogl. Wildbahn und an der ändern Seite an der Glashäger Weide grenzet, hat der Priester wenig Nutzen davon.
  9. Die Heuwerbung bringet etwa 3, höchstens 4 Fuder, daher alle Jahre zukaufen muß.
  10. Die Obst- und Küchengarten machen etwa einen Raum von 3 Scheffel Saat Acker
  11. Die Kirchenrechnung zu führen, bekömt der Prediger jährl. 2 Rthl.
Joh. Christ. Holstein Past. Steffenshagen

Auch der Nachfolger von Pastor Holstein, Gerhard Johann Diedrichsen setzte mit Sophie Elisabet Chrisztine Holstein die Tradition fort, die Tochter seines Vorgängers zu heiraten. Er starb 1773 im Alter von 57 Jahren.

Johann Gotfried Hommel wurde 1763 in das Steffenshäger Pastorenamt eingeführt, das er bis zu seinem Tod 1807 innehatte. Er wurde 79 Jahre alt. Geheiratet hatte er 1762 Maria Magdalena Dunkelmann, eine Pächtertochter aus Stralendorf.

1807 kam Hermann Theodor Christian Martinssen, geboren 1780 in Perlin, als Pastor nach Steffenshagen. Von ihm wurde in der Chronik des Kirchspiels berichtet:

Als er sein Amt antrat, war die Gemeinde angesteckt von dem Leben, das damals in dem nahegelegenen, vielbesuchten Badeorte Doberan herrschte. Die Bauern waren an Wochen- und Sonntagen bis in die Nächte hinein dem Kartenspiel und den Trinkgelagen ergeben und die Unsittlichkeit war groß. Seiner Redegabe gelang es jedoch bald, Wandel hierin zu schaffen. Der Kirchenbesuch wurde mit der Zeit, auch aus fremden (Kirch-) Gemeinden, ein so starker, dass Martinssen sich veranlaßt sah, an einem Palmsonntage vom Altar aus zu bitten, Jeder möge doch in seiner eigenen Gemeinde bleiben, da die Kirche sie lange nicht alle halten kann.

aus Chronik des Kirchspiel Steffenshagen

Dies kann durchaus ein Grund zur Vergrößerung der Kirche Mitte des 19. Jahrhunderts gewesen sein.

Verheiratet war Pastor Martinssen seit 1807 in erster Ehe mit der Oberförsterwitwe Margarete Luise Juliane Benthusen, Gastwirtstochter aus Doberan. Sie starb 1824 im Alter von 56 Jahren. 1831 heiratete er Caroline Henriette Katharina Sengebusch, die in Lübeck geboren wurde. Ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt starb Pastor Martinssen.

Das Pastorenamt übernahm 1853 Pastor Johann Heinrich Joachim Friedrich Hesse, der 1806 in Rostock geboren wurde und seit 1843 mit Johanna Dorothea Mühlenbruch aus Altona verheiratet war. Er starb 1873 an Schlagfluß (ein zeitgenössischer Begriff für Schlaganfall).

Noch 1873 folgte Friedrich Heinrich Georg Thiemig, geboren 1824 in Stade, in das Amt. Er war seit 1861 mit Caroline Henriette Friederike Dorothea Mie verheiratet und starb 1903, augenscheinlich hochbetagt im Amt.

Das Pastorenamt übernahm 1904 Theodor Helmut Conrad Carl Hans Otto, der 1867 in Doberan geboren wurde. Pastor Otto heiratete 1908 Marie Friderike Agnes Busch aus Lenzen bei Tarnow. 1936 wurde er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt. 1952 starb er in Kröpelin.

Die Verwaltung der Pfarre Steffenshagen übernahm, zunächst als Vikar, ab 1938 als berufener Pastor, Dr. Günter Glöde, geboren 1910 in Wismar. 1947 wurde er nach Neubukow versetzt.

In Steffenshagen folgte Günter Glowinski, geboren 1907 in Graudenz, in das Pastorenamt. Im März 1953 floh Pastor Glowinski mit seiner Familie in den Westen. Nach kurzem Aufenthalt in Lübeck fand er in Westfalen eine neue Heimat. Bis zum Eintreffen des neuen Pastors übernahm Probst Ehlers aus Bad Doberan die Aufgaben des Pastors.

Am 1. April 1954 trat Pastor Manfred Freiherr von Sass seinen Dienst als Pastor an. Er wurde am 16. März 1929 in Memel (Ostpreußen) geboren. Er stand noch in der Ausbildung für das zweite Examen und heiratete im April 1954. Seine Frau unterstützte ihn durch die Übernahme der Christenlehre in Reddelich und Brodhagen.
1956 stellte die Kirche aus den Spenden für das kirchliche Notopfer einen Friedhofswärter für Steffenshagen ein. Offenbar befand sich der Friedhof in einem schlechten Zustand. In den Wintermonaten 1957/58 fanden in den Dörfern Bibelstunden statt. Pastor von Sass schrieb dazu:

… die einen erstaunlichen Besuch zu verzeichnen hatten. In Reddelich fanden sich bis zu 40 Bibelstunden Besucher ein. Eine dankbare Arbeit, die allerdings wegen der unbeschreiblichen Wegeverhältnisse für den Pastor eine ganz große Anstrengung bedeuteten.

aus Chronik des Kirchspiel Steffenshagen

1958 war ein widersprüchliches Jahr für das Kirchspiel. Zum einen bekam die Kirche aus Spendengeldern eine Fußheizung und einen elektrischen Motor zum Betrieb der Orgel. Diese konnten aber manchmal nicht betrieben werden, weil das Stromnetz überlastet war. Auch wurde die 700 Jahre alte Tauf-Fünte (Becken) wieder aufgestellt. Zum anderen nahmen die staatlichen Repressalien gegen die Kirche zu. So wurde massiv für die Jugendweihe als Alternative zur Konfirmation geworben. Auch gab es Probleme bei der Bereitstellung von Räumen für die Christenlehre. In Brodhagen stellte die Kirchenälteste, Frau Gau, ihre Wohnung dafür zur Verfügung und in Reddelich der Kirchenälteste Herr Jens (von der Büdnerei № 2).

Zum 1. Dezember 1959 wurde Pastor von Sass nach Goldberg versetzt. Über ein Jahr lang war die Pfarre vakant was zur Resignation und Enttäuschung vieler Kirchenanhänger führte. Die Aufgaben des Pastors wurden mehr schlecht als recht von Kröpelin aus miterledigt.

Am 1. März 1961 trat Ernst-Albrecht Beyer, geboren 1935 in Rostock, die Pastorenstelle an. In der Kirchenchronik berichtete er von kontinuierlichen Veranstaltungen aber auch von den Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen. Auch das zunehmende Desinteresse bei Kindern und Jugendlichen findet dort Erwähnung. 1966 beklagt er die problematische Arbeit mit den Reddelicher Kindern. Zum 1. August 1968 wurde Pfarrer Beyer nach Warnemünde versetzt.

Das Pfarramt in Steffenshagen übernahm am 1. September nahtlos Pastor Paul-Ferdi Lange (geb. 1943). Ihm fiel die undankbare Aufgabe zu, das Kirchspiel Steffenshagen aufzulösen. Schwindende Mitgliederzahlen zwangen die Kirche zu Verwaltungsreformen. Am 30. Oktober 1975 wurde die Verwaltung an die Kirchgemeinde Bad Doberan übergeben. Wittenbeck, Klein und Hinter Bollhagen wurden mit der Kirchgemeinde Kühlungsborn vereinigt.

In die Pfarrei zog in der Folge der Kreisjugendwart und Diakon für Jugendarbeit der Kirchgemeinde Bad Doberan, Hartmut Vollmar (geb. 1942) ein. Er übernahm auch die Christenlehrstunden in Steffenshagen und setzte sich früh für die Wiedereinrichtung der Kirchgemeinde Steffenshagen ein. Im Zeitverlauf setzte sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Auflösung der Kirchgemeinde Steffenshagen ein Fehler war. Immerhin gab es im Bereich der ehemaligen Gemeinde 910 evangelische Christen. Die Bemühungen fruchteten. Zum 1. April 1982 erfolgte die Wiedereinrichtung der Kirchgemeinde Steffenshagen. Die Kirchenältesten, Helmut Gesk, Erika Uplegger, Johannes Jürß, Herbert Grewe, Edith Dürre (Brodhagen), Ella Müller, Hermine Ebermann, Gertrud Ulbrich (Reddelich), Joachim Keil (Reddelich) und Wilfriede Wasmuth, beantragten als Erstes mit der Verwaltung der Pfarrstelle Hartmut Vollmer zu beauftragen. Dies wurde bewilligt und die Gemeinde hatte wieder einen Pastor.

Nach ihrer Wiedereinrichtung ist die Kirchgemeinde Steffenshagen eine Partnerschaft mit der Gemeinde Hamburg-Stellingen eingegangen. Diese Partnerschaft wurde über die Jahre gepflegt.

Am 1. Februar 2002 wurde Pastor Vollmar in den Ruhestand verabschiedet.

Am 23. Juni 2002 wurde Kai Feller (geb. 1971) in das Pastorenamt eingeführt.

Mitte 2019 wurde Pastor Kai Feller versetzt. Die Aufgaben des Pastors wurden von umliegenden Kirchen mit erledigt.

Kirchenchroniken

Zu den Aufgaben der Pastoren gehört auch die Niederschrift wichtiger Ereignisse in ihrer Gemeinde. Neben der Führung von Personenregistern schrieben die Pastoren auch an Chroniken für ihren Wirkungsbereich. Dies sind keine offiziellen Dokumente sondern eher Tagebücher, die auch im Besitz der Kirchengemeinde verbleiben. Für Steffenshagen liegen diese seit 1898 durchgängig vor. Herr Pastor Feller hat mir die Sichtung der Chroniken gestattet, wofür ich ihm danke (2017).

Durch den Tagebuchcharakter bieten diese Aufzeichnungen zum Teil einen sehr intimen Einblick in die Geschehnisse in der Kirchgemeinde. Auch hat dort jeder amtierende Pastor seine Handschrift hinterlassen. Dies gilt buchstäblich und metaphorisch. Eine intensive Analyse der Tagebücher ließe Rückschlüsse auf die Prioritäten zu, die von den Pastoren in ihrer Arbeit gesetzt wurden. Der Konjunktiv verrät schon, dass eine detaillierte und umfassende Auswertung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Einige, kurze Beispiele müssen an dieser Stelle genügen.

Interessant sind die Aufzeichnungen während des ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918. Amtierender Pastor war zu dieser Zeit Theodor Otto. Seine Kriegsaufzeichnungen begannen 1914 mit einer Aufstellung der eingezogenen Rekruten aus der Kirchgemeinde. Er notierte auch die Gründe zur Einberufung (Mobilmachung mit Nummer) und den Verbleib der Rekruten. So ist dort zu erfahren, dass mit der ersten Mobilmachung aus Reddelich H. Barten, F. Kadow, W. Köpke, H. Dreyer, W. Weber, H. Feldberg und H. Bull eingezogen wurden. H. Bull hatte bereits einen Dienstgrad als Vizefeldwebel. Insgesamt wurden 1914 aus Reddelich 34 Christen eingezogen und aus Brodhagen fünf.

Für 1915 hatte Pastor Otto bereits vorgeschrieben: »Namen und Geschichte, auch Auszeichnungen der 1915 Eingezogenen«. Da schwang noch etwas Kriegseuphorie mit, was sich bald ändern sollte. Aus Brodhagen wurden dort noch neun Rekruten namentlich benannt. Für Reddelich hatte er nur noch lapidar eingetragen, dass 37 Rekruten eingezogen wurden. Da trat wohl schon Ernüchterung ein. Die Eintragungen zu den Soldatenschicksalen endeten an dieser Stelle.

1933 wurden die insgesamt 1745 Gemeindemitglieder nach Dörfern aufgelistet:

  • 386 in Reddelich,
  • 207 in Nieder Steffenshagen,
  • 189 in Wittenbeck,
  • 146 in Vorder Bollhagen,
  • 128 in Dorf Glashagen,
  • 121 in Stülow,
  • 114 in Ober Steffenshagen,
  • 100 in Hinter Bollhagen,
  • 94 in Dorf Brodhagen,
  • 65 in Hof Steffenshagen,
  • 60 in Hof Glashagen,
  • 53 in Hof Brodhagen und
  • 38 in Klein Bollhagen.

Im Oktober 1936 war der Landesbischof zu Besuch in der Kirchgemeinde Steffenshagen. Er verabschiedete Pastor Otto, der im Alter von 69 Jahren, nach 32 Dienstjahren in Steffenshagen, in den Ruhestand ging. Als neuen Kirchverwalter führte er Dr. Günter Glöde, Jahrgang 1910, ein und schrieb ein Grußwort in die Chronik. Pastor Glöde jedoch musste 1938 erstmal seinen Wehrdienst leisten. Pastor Ehlers aus Bad Doberan vertrat ihn derweil in seiner Pfarre.

In seiner Chronik vermerkte er auch, dass 1938 auf der Reddelicher Chaussee ein vierjähriger Junge überfahren und in Steffenshagen beigesetzt wurde. Ansonsten war der Aufreger im Jahr 1938 ein Aufruf der Niedersteffenshäger Ortsgruppe der NSDAP, Schmiedeeiserne Grabteile der Verschrottung zuzuführen.


In August 1939 bekam Pastor Glöde seinen Einberufungsbefehl, womit die Eintragungen bis 1946 aussetzten. Sie wurden fortgeführt in mehreren Seiten Zeitungsausschnitte mit Traueranzeigen. Er berichtete auch über seine militärische Laufbahn, die mit dem Dienstgrad Leutnant endete. Überhaupt waren seine Eintragungen sehr düster aber auch sehr persönlich.

Der Kirchenvorstand 1959
v. li.: Jabusch, Jürß, Krollzig, Bertold, Hünemörer, Pieper, Formanowitz, Jenß und Küsterin Wadow. [13]

1966 (genaues Datum unbekannt) fand ein hundertjähriger Jubiläumsgottesdienst statt. Anlass waren umfangreiche Bauarbeiten, die 1966 ihren Abschluss fanden. Ausserdem wurde ein neuer Altaraufsatz angefertigt. [34]


1986 wurde Frau Ella Müller aus Brodhagen, in einer Feierstunde, als Kirchenälteste verabschiedet.

Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik im Jahr 1990 änderte sich auch in den Kirchgemeinden vieles, da war auch Steffenshagen keine Ausnahme. Um einer erneuten Auflösung zu entgehen beschlossen die Gemeinden Steffenshagen und Retschow 1991 eine Kooperation. Dies bedeutete, dass beide Gemeinden sich eine Pastorenstelle teilten.

Weiter schwindende Mitgliederzahlen erhöhten den Handlungsdruck. Die Amtskirche stellt für Gemeinden mit weniger als 600 Mitgliedern keine Pastorenstelle zur Verfügung. Ohne Pastor hilft einer Gemeinde die schönste Kirche nichts. Die Lösung war die Fusion der Kirchgemeinden Steffenshagen und Retschow nach der Jahrtausendwende.

Seit den 1990er Jahren war die Pfarrstelle in Retschow nicht mehr besetzt. Die Aufgaben des Pastors für die Kirchgemeinde Retschow wurden dem Steffenshäger Pastor mit übertragen, der nun für beide Gemeinden zuständig war. Man sprach von verbundenen Gemeinden. Als dann, zu Beginn der 2000er Jahre, auch noch die Steffenshäger Pfarrstelle infrage stand, weil die Zahl der Gemeindemitglieder stark sank, entschlossen sich beide Kirchgemeinden zur Fusion. Die Alternative wäre ein Anschluss an eine benachbarte Stadtgemeinde, was beide Kirchgemeinden ablehnten. So wurde ein neuer Vorstand für beide Kirchgemeinden gewählt, der paritätisch besetzt wurde. Die Kirchen Steffenshagen und Retschow blieben bestehen. Der Pastor pendelte für seine Amtshandlungen zwischen beiden, was ja seit der Zeit der verbundenen Gemeinden gängige Praxis war.

Die nun etwas über 600 Mitglieder hatten sich mit der Fusion Zeit verschafft zur weiteren Sicherung der Selbstständigkeit als Kirchgemeinde auf dem Lande. Die Zeit, als die Kirchgemeinde Steffenshagen 1100 Mitglieder hatte (im Jahr 1933) kehrt wohl nicht zurück. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, ist auch die Kirchgemeinde Steffenshagen-Retschow zum Handeln gezwungen. So hat der Gemeinderat beschlossen, die Kirche und den Friedhof auch für weltliche Beisetzungen zu öffnen. Die Koordination solcher Beisetzungen obliegt auch der Küsterin. In Steffenshagen wird der Begriff Öffnung der Kirche durchaus wörtlich genommen. Von Mai bis September, jeweils von 9:00 bis 18:00 Uhr, steht das Gotteshaus für jeden Gast offen. Anmeldungen sind in dieser Zeit lediglich für Führungen nötig.

Es gibt auch einen Kirchenchor mit zwölf Mitgliedern, aber ohne Organisten. Dieser kommt auf Anforderung von außerhalb.

Auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder Tiefpunkte gab, an denen die Kirchgemeinde vor der Auflösung stand, hat sie es doch geschafft, das Kirchspiel Steffenshagen bis heute zu erhalten.

Ulf Lübs, Reddelich 2017

Das Reichszivilstandsgesetz von 1874 schrieb die bürgerliche Ehe und die Glaubensfreiheit vor. Standesämter wurden in ganz Deutschland eingeführt. Ab dem 1. Januar 1876 wurden im gesamten Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin Standesämter gebildet. Diese erledigten die Aufgaben, die im Personenstandsgesetz vorgesehen waren. Die sog. Kirchenbücher, in denen Taufen, Trauungen und Bestattungen registriert wurden, waren offensichtlich nicht mehr geeignet den zukünftigen Anforderungen der weltlichen Statistiken zu genügen. Diese wurden jedoch kirchenintern weitergeführt.

Bis dahin waren alle relevanten Angaben zu Personen eines Dorfes durch die Kirche erfasst und archiviert worden. Alle diesbezüglichen Zeugnisse und Dokumente wurden dort erstellt. Schul- und Militärlisten wurden gleichfalls dort erstellt. Die Standesamtbezirke übernahmen die gleichen Orte des Kirchsprengels und vorsichtshalber einen Kirchenmann, in der Regel den jeweiligen Küster in die Besetzung der Standesämter. So wurden in dem für uns zuständigen Standesamt Steffenshagen der Gutspächter Ahrens vereidigter Standesbeamter und Küster Dau sowie der Schulze Bull aus Ober-Steffenshagen seine Stellvertreter. Zuständig war das Standesamt für ca. 1200 Seelen.

Nach dem Tod des Standesbeamten Ahrens vom Hof Steffenshagen wurde 1899 durch die herzogliche Verwaltung ein neuer Standesbeamter mit zwei Stellvertretern berufen. Die Ernennung zweier Stellvertreter lässt erkennen, wie wichtig der Domanialverwaltung das Personenstandswesen war. Es wurden berufen: Zum Standesbeamten der Küster Weber aus Steffenshagen, zum 1. Stellvertreter der Schulze Barten aus Ober- Steffenshagen, zum 2. Stellvertreter der Erbpächter H. Böckmann aus Nieder- Steffenshagen.

von Axel Kähler [31]

Bilderanhang

Artikel aktualisiert am 26.01.2024