Die Wiederaufnahme der Arbeiten in Landwirtschaft und Gewerbe.

Auszüge eines Verwaltungsberichtes von 1946, erstellt von Bürgermeister Wilhelm Rowoldt:

Nach dem katastrophalen Zusammenbruch im Mai 1945 hatte der Gemeindeleiter alle Hände voll zu tun, damit die Arbeit auf den verschiedensten Gebieten und vor allem in der Landwirtschaft so schnell wie möglich in den rechten Gang kamen. Die Menschen waren zum grossen Teil völlig mut- und hoffnungslos und bedurften der nachdrücklichsten Aufmunterung, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen und mit allen Kräften anzupacken, damit nichts versäumt werde.

In der Landwirtschaft galt es, viele Arbeiten auf den Feldern, die liegen geblieben waren, in kürzester Zeit nachzuholen. Da in den meisten Landwirtschaften ein Teil der Pferde und der Wagen fehlte, war es eine besonders vordringliche Aufgabe der Gemeindeleitung, diesen Wirtschaften nach Möglichkeit zu ihrem Eigentum zu verhelfen,oder ihnen dasjenige zuzuweisen, was sie für die Weiterführung ihres Betriebes unbedingt benötigten. In einer Anzahl von Fällen gelang es tatsächlich, den Wirtschaften ihr Eigentum zurückzugeben. In anderen Fällen konnten Pferde für gewisse Zeiten von dem einen Betrieb in den anderen abgeordnet werden.

Ohne Anweisungen abzuwarten, zog ich aus der allgemeinen Lage die notwendigen Folgerungen und drang mit allem Nachdruck auf die Bestellung jeden Quadratmeters nutzbaren Bodens zur Sicherstellung der Ernährung der stark angewachsenen Bevölkerung. Die der Gemeinde später auferlegten Ablieferungsverpflichtungen bestätigten, wie richtig es war, alle Kräfte daran zu setzen, den Boden so intensiv wie nur möglich zu bearbeiten.
Da Anfang Mai ein erheblicher Teil der landwirtschaftlichen Maschinen und Ackergeräte nicht einsatzbereit war, mussten alle möglichen Schritte unternommen werden, um hier Abhilfe zu schaffen.

Wie in der Landwirtschaft so musste auch bei dem hier vertretenen Gewerbe in mehrfacher Hinsicht und wiederholt helfend eingegriffen werden, um die erforderlichen Materialien nach Möglichkeit heranzuschaffen. Altmaterial wurde in umfangreichen Masse gesammelt und fand eine nutzbare Verwendung bei der Instandsetzung der jetzt so wichtigen landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte. Neben der Versorgung der hiesigen Bevölkerung und der landwirtschaftlichen Betriebe wurden aber auch bei den Bemühungen der Gemeindeleitung die Interessen der städtischen Bevölkerung nicht ausser Acht gelassen. Die Wiederinbetriebnahme der Molkerei war für die Versorgung der städtischen Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Es musste eine Zentrifuge, Treibriemen sowie Feuerung beschafft werden. Die Molkerei konnte bereits am 6. August 1945 ihren Betrieb eröffnen und produzierte bis zum Ende des Jahres 1945 die beachtliche Menge von 9956 kg Butter und 18.961 kg Quark. Bis zum 1. August dieses Jahres [1946] hat sich die Produktion erhöht auf 25.153 kg Butter und 49.481 kg Quark.

Da die Nachfrage nach Brettern, Bohlen und Balken aus Stadt und Land ungeheuer gross war, musste das grösste Gewicht auf die Wiederinbetriebnahme der hiesigen Sägerei gelegt werden. Auch hier konnten nur nach Überwindung erheblicher Schwierigkeiten die notwendigen Ausrüstungsgegenstände beschafft werden.
Die Sägerei in Reddelich hat trotz der in der Berichtszeit bestehenden Schwierigkeiten auf dem Gebiete der Elektrizitätsversorgung, der Beschaffung der Treibriemen und der Ersatzteile seit dem Herbst des vergangenen Jahres 115.000 Sensenstreichhölzer und 270 Festmeter Rundholz zu Schnittholz verarbeitet.

Das Schuhmacherhandwerk hat trotz des Mangels an aber auch allem Reparaturmaterial bis jetzt geradezu Wunder vollbracht, indem es mit allen nur erdenklichen Aushilfen immer noch verstanden hat, ihren Reparaturbetrieb aufrecht zu erhalten. Das Schuhmacherhandwerk hat damit auch für seinen Teil einen wertvollen Beitrag dafür geleistet, dass die Gemeinde in diesem ersten Jahre des Wiederaufbaues ihren Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die Schmiede in Reddelich hat im vergangenen Jahre nach Bereitstellung der erforderlichen Materialien einen grossen Teil der landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte einsatzbereit gemacht und wesentlich dazu beigetragen, dass die Landwirtschaft der Gemeinde ihren Verpflichtungen prompt nachkommen konnte.
Nur bei wenigen komplizierten Maschinen stiess die Beschaffung von Ersatzteilen auf Schwierigkeiten. Wo aus diesen Gründen eigene Maschinen fehlten, konnte in jedem Falle rechtzeitig und ausreichend durch den Einsatz fremder Maschinen ausgeholfen werden. Überhaupt spielte der gemeinsame Einsatz der Gemeindeangehörigen im vergangenen Jahre wiederholt eine erhebliche Rolle. Eine grosszügige Holzwerbung war wiederholt nötig, um die gänzlich verbrauchten Brennholzvorräte für die gesamte Gemeinde zu beschaffen. Die der Gemeinde auferlegten Holzfuhren nahmen eine grosse Anzahl von Arbeitstagen und von Fuhrwerken in Anspruch. Dasselbe ist von den gesteigerten Anforderungen der Strassenbauverwaltung für die Anfuhr von Bau- und Streusand sowie von der Hilfe in anderen Gemeinden zur Einbringung der Ernte sowie zur rechtzeitigen Durchführung der Bodenbearbeitung und zur Durchführung von Transporten und ähnlichem zu sagen.
Eine erhebliche Anzahl von Gespannen musste die Gemeinde ersetzen, um die an den Strassen und in der Feldmark herumliegenden aus den letzten Tagen des April 1945 herrührenden Trümmer von Kraftfahrzeugen abzuschleppen.

Beim Rückblick auf das bei diesem gemeinsamen Einsatz gemeisterte kann ich auch an dieser Stelle den Beteiligten meinen Dank dafür aussprechen, dass ein jeder trotz der grossen Belastung in der eigenen Wirtschaft und trotz der ganz grossen Schwierigkeiten der Futterbeschaffung sich bereitwillig für die Nachbarhilfe in der Gemeinde und ausserhalb der Gemeinde zur Verfügung stellte, um auch so nach Kräften beim Wiederaufbau mitzuhelfen. Dieser verständnisvollen Bereitwilligkeit zur gegenseitigen Unterstützung ist es zu verdanken, dass die Schwierigkeiten des Wiederanlaufens der Wirtschaft nach dem Zusammenbruch überwunden werden konnten.

Das deutsche Volk hat ganz ausserordentliche Anstrengungen zu machen, um auf allerengstem Raume sein Volk zu ernähren und aus der allerschwersten Notlage aller Zeiten herauszukommen. Ein Herauskommen aus dieser Lage ist aber nur möglich, wenn ein jeder so intensiv wie nur möglich seinen ganzen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in den Dienst des Aufbaues einsetzt. Dieses Einsetzen ist wiederum nur möglich, wenn die Arbeitskräfte alles das, was sie zur Existenz benötigen, in ausreichendem Masse zur Verfügung haben. Die Beschaffung der erforderlichen Kleidung und Schuhe sowie der vielen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens müssen in so ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden, dass die Arbeitskräfte sich voll und ganz einsetzen und auswirken können zur weiteren Steigerung des Wirtschaftsaufstiegs. Wir müssen industriell bald soweit sein, dass wir tatsächlich in der Lage sind, den vielen Millionen ein eigenes Heim, einen eigenen Herd und eigene Möbel zu beschaffen, auf die diese Bedauernswerten nun schon so lange verzichten müssen.

Wir müssen auch in dieser Beziehung zuversichtlich hoffen, dass mit der grosszügigen Hilfe der SMAD der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft jetzt in immer schnelleren Masse vorangeht und dass alle diese dringend benötigten Güter dem deutschen Volke wieder zuteil werden.

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Artikel aktualisiert am 19.03.2024