Gemeindevertretung, Gemeinderat und Bürgermeister nach Beitritt der DDR zu BRD

Eine der bedeutendsten Errungenschaften der Wende waren freie Wahlen auf allen politischen Ebenen. Auch für die Reddelicher Gemeindevertretung buhlten fortan Parteien, Wählergruppen und Einzelkandidaten um die Wählergunst. Bürgermeister wurden zunächst indirekt gewählt. Das heißt: Die Gemeindevertretung wählte aus ihrer Mitte heraus den Bürgermeister. 1999 wurde die Kommunalverfassung geändert und die Bürgermeister fortan direkt gewählt.

NameBeginn
der Amtszeit
Ende
der Amtszeit
Joachim Morawietz1989, Mai1994, Juli
Detlef Schütt1994, Juli1994, Dezember
Erhard Rünger1995, Januar2001, Januar
Gerd Zickert2001, Januar2005, Dezember
Andreas Elmer (kommissarisch)2005, Dezember2006, April
Erhard Rünger2006, April2014, Mai
Ulf Lübs2014, Mai2024, Juni
Auflistung der Bürgermeister Reddelichs seit 1990

Der erste Nachwendebürgermeister von Reddelich war der letzte DDR-Bürgermeister, Joachim Morawietz. In den ersten Jahren seiner Amtszeit engagierte er sich sehr für die Gemeinde. Unter seiner Leitung erneuerte die Gemeinde Reddelich schon sehr früh große Teile ihrer Infrastruktur und förderte den Zuzug von Einwohnern durch Erschließung von Baugebieten. Leider verschoben sich die Prioritäten seines Engagement zum Ende seiner Amtszeit als Reddelicher Bürgermeister. Sein Handeln gereichte der Gemeinde nicht immer zum Vorteil. Ein Muster, dass man bei vielen Politikern beobachten kann.

Die Wählergemeinschaft von 1994

Am 22. April 1994 wurde durch neun Bürger eine unabhängige Wählergemeinschaft für Reddelich und Brodhagen gegründet. Zweck war vorrangig der Aufbruch alter Strukturen in der Gemeindearbeit durch Aufstellung eigener Kandidaten zur Kommunalwahl. Mit der alten Vertretung war, nach Ansicht der Mitglieder, eine Zukunft als finanziell unabhängige und verwaltungstechnisch eigenständige Gemeinde nicht zu erreichen. Zum Vorsitzenden wurde der Hauptinitiator, Detlef Schütt aus Brodhagen, bestimmt.

Am 12. Juni 1994 wurde eine neue Gemeindevertretung gewählt. Zu dieser Wahl trat erstmalig die freie Wählergemeinschaft an. Deren Spitzenkandidat, Detlef Schütt, erhielt überraschend so viele Stimmen, dass die Gemeindevertretung auf ihrer konstituierenden Sitzung am 5. Juli nicht umhin kam, ihn zum Bürgermeister zu wählen. Der langjährige Bürgermeister der Gemeinde, Joachim Morawietz, durfte zu dieser Wahl nicht antreten, weil er mittlerweile die Leitung des Amtes Bad Doberan-Land übernommen hatte. Zu dessen Amtsbereich gehörte auch die Gemeinde Reddelich.

Bereits am 1.  Dezember 1994 trat Detlef Schütt vom Ehrenamt als Bürgermeister zurück. Offizieller Rücktrittsgrund waren persönliche Gründe. Bekannt geworden sind aber auch unüberbrückbare Gegensätze mit der Amtsleitung in Bad Doberan, die eine ordentliche Amtsführung des Bürgermeisters unmöglich machten. Nach seinem Rücktritt wählten die Gemeindevertreter am 3.  Januar 1995 Erhard Rünger aus Brodhagen zum neuen Bürgermeister. Ende Dezember starb Detlef Schütt plötzlich und unerwartet.

Gemeindevertretungen und Bürgermeister von 1999 bis 2009

Erhard Rünger wurde 1999 durch die Kommunalwahl ohne Gegenkandidat als Bürgermeister bestätigt. Mit dieser Wahl wurden erstmalig auch die ehrenamtlichen Bürgermeister in Mecklenburg-Vorpommern direkt gewählt.

Zum 31. Januar 2001 legte der Bürgermeister der Gemeinde Reddelich, Erhard Rünger, überraschend sein Amt nieder. Er gab familiäre Gründe für diese Entscheidung an. Öffentlich wurden aber auch Querelen mit der Gemeindevertretung. Bis zur Neuwahl führte der 1. Stellvertreter, Gerd Zickert das Amt weiter.

Am 9. Juli 2001 gab es eine außerplanmäßige Neuwahl des Bürgermeisters. Die Wahlbeteiligung blieb unter fünfzig Prozent. Der kommissarische Amtsinhaber, Gerd Zickert, konnte sich mit 161 zu 137 Stimmen gegen Roland Schmidt aus Brodhagen durchsetzen.

Seit den späten 1990er Jahren hatte die Gemeinde mit Haushaltsproblemen zu kämpfen. Die Gründe dafür waren vielschichtig. Nach außen wurden die Probleme gerne der desaströsen Vermarktung des Gewerbegebietes angelastet. Das griff aber schon damals zu kurz und verstellte den Blick auf die strukturellen Probleme der Gemeinde. Das Mißverhältnis zwischen den vorhandenen Straßen und Wegen und der Einwohnerzahl z. B. ist historisch bedingt. Eine Anpassung der Einwohnerzahl an die vorhandene Infrastruktur, wurde durch die Raumordnungsbehörden nicht unterstützt.

2003 hat die Kämmerei, auf Druck der Kommunalaufsicht, erstmalig eine Haushaltskonsolidierungskonzeption (HKK) erarbeitet. Diese wurde durch die Gemeindevertretung bestätigt und später fortgeschrieben. Eine tiefgreifende Analyse der Ursachen für die Finanzprobleme fehlte dort allerdings.

Auf Anraten der Kommunalaufsicht veräußerte die Gemeinde Teile ihres Vermögens um damit Haushaltslöcher zu stopfen. Investitionen und freiwillige Leistungen wurden kaum noch getätigt. Die Floskel "kein Geld" wurde zum geflügelten Wort und zur bequemsten Ausrede für Verwaltung und Gemeindevertretung.

Im Vorfeld der Kommunalwahl 2004 gründeten vier junge Reddelicher die Wählergemeinschaft FRISCHER WIND FÜR REDDELICH UND BRODHAGEN. Der Name war Programm. Ziel der Wählergemeinschaft war, durch eigene Kandidaten in der Gemeindevertretung, die Interessen junger Gemeindemitglieder besser durchzusetzen. Mit Andreas Elmer und Michael Reincke bekamen zwei Kandidaten der Wählergemeinschaft ein Mandat für die Reddelicher Gemeindevertretung.

Der Bürgermeister der Gemeinde, Gerd Zickert, trat im Dezember 2005 aus persönlichen Gründen vom Amt zurück. Damit wurde sein Stellvertreter Andreas Elmer, der das Amt kommissarisch bis zur Neuwahl ausübte, zum jüngsten Bürgermeister in Mecklenburg-Vorpommern.

Zur folgenden Neuwahl gab es mit Andreas Elmer, Erhard Rünger und Ulf Lübs drei Kandidaten für das Ehrenamt. In einer Stichwahl im April 2006 wurde Erhard Rünger zum Bürgermeister der Gemeinde gewählt. Die OZ schrieb dazu:

Erhard Rünger ist der neue Bürgermeister der Gemeinde Reddelich. In der Stichwahl setzte er sich gestern mit 227 Stimmen gegen Ulf Lübs durch, der 173 Stimmen auf sich vereinen konnte.

Lübs gratulierte nach der Auszählung der Stimmen im Reddelicher Gemeindezentrum dem neuen Bürgermeister als erster. Der 44-jährige selbstständige Baubetreuer zeigte sich als fairer Verlierer, konnte jedoch eine gewisse Skepsis nicht verhehlen. „Das Votum der Wähler ist sehr eindeutig zugunsten von Erhard Rünger ausgefallen. In seiner ersten Amtszeit als Bürgermeister von 1995 bis 2001 ist in Reddelich nicht alles so gelaufen, wie es wünschenswert gewesen wäre. Deshalb bin ich angetreten – nicht zuletzt, um mehr Professionalität und eigene Ideen in das Amt einzubringen", kommentierte er den Wahlausgang gegenüber OZ.

Erhard Rünger wirkte nach der Auszählung der Stimmen gelöst, nahm viele Glückwünsche entgegen. Der 59-jährige ehemalige Postangestellte und jetzige Ruheständler will sich vor allem um die Misere im nicht ausgelasteten Gewerbegebiet kümmern. Die Kreditbelastung für die Erschließung hat der Gemeinde jeden freien finanziellen Spielraum genommen. „Wünschenswert ist die Umwandlung in ein Mischgebiet, um dort auch Bauland für die Wohnbebauung verkaufen zu können. Aber dabei muss Schwerin mitspielen", sagte er. Rünger will sich auch um "die vielen kleinen Sachen kümmern, die den Bürgern Sorge bereiten und die wir aus eigener Kraft in Ordnung bringen können." Er nannte in diesem Zusammenhang die Zuendeführung des Weges zwischen der Dorfstraße und der Steffenshäger Straße und den Weg zwischen dem Wohngebiet Schaulbarg und der Kita. „Das sind nur zwei Beispiele von mehreren", sagte er.

707 Wahlberechtigte gibt es aktuell in der Gemeinde Reddelich. 401 Bürger haben gestern bei der Wahl des neuen Bürgermeisters ihre Stimme abgegeben. Damit lag die Wahlbeteiligung bei 57 Prozent und geringfügig unter jener vor zwei Wochen, als im ersten Wahlgang die Kandidaten Andreas Elmer, Ulf Lübs und Erhard Rünger gegeneinander antraten. Da keiner von ihnen die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichte, machte sich gestern die Stichwahl zwischen Lübs und Rünger erforderlich. Sie hatten im ersten Wahlgang am besten abgeschnitten.

Gemeindevertretungen und Bürgermeister von 2009 bis 2014

Erhard Rünger wurde auf der Kommunalwahl im Juni 2009 mit 57,4 Prozent, lediglich sieben Stimmen Vorsprung, zum Bürgermeister wiedergewählt. Gegenkandidat war Andreas Elmer von der Wählergemeinschaft FRISCHER WIND. Es wurden für die Bürgermeister- und Gemeindevertreterwahl 1327 Stimmen abgegeben, die alle gültig waren. Damit lag die Wahlbeteiligung bei 64,5 Prozent. Die Gemeindevertretung wurde wie folgt gewählt:

  1. Erhard Rünger (CDU-Liste), 302 Stimmen, gewählter Bürgermeister
  2. Andreas Elmer (Wählergemeinschaft Frischer Wind) 295 Stimmen, Gemeindevertreter
  3. Torsten Wunderlich (CDU-Liste), 97 Stimmen, Gemeindevertreter
  4. Antje Hackendahl (CDU-Liste), 95 Stimmen, Gemeindevertreter
  5. Ursula Brüsehaber (CDU-Liste), 82 Stimmen, Gemeindevertreter
  6. Sven Wellach (Wählergemeinschaft Frischer Wind), 81 Stimmen, Gemeindevertreter
  7. Dr. Görres Grenzdörffer (Wählergemeinschaft Frischer Wind), 78 Stimmen, Gemeindevertreter
  8. Toralf Schulz (Wählergemeinschaft Frischer Wind), 76 Stimmen, ohne Sitz
  9. Ruppert von Jeinsen (CDU-Liste), 56 Stimmen, Gemeindevertreter
  10. Anna Barbara Timm (Wählergemeinschaft Frischer Wind), 50 Stimmen, Ohne Sitz;
  11. Michael Joppeck (CDU-Liste), 50 Stimmen, Gemeindevertreter
  12. Mario Kraus (CDU-Liste), 42 Stimmen, ohne Sitz
  13. Petra Schindler (CDU-Liste), 23 Stimmen, ohne Sitz

Durch die Besonderheiten des Verhältniswahlrechts spiegelte die Sitzverteilung in der Gemeindevertretung nicht den Wählerwillen wieder. So bekam Thoralf Schultz trotz 76 Wählerstimmen keinen Sitz in der Gemeindevertretung, während Ruppert von Jeinsen mit 56 Stimmen und Michael Joppeck mit 50 Stimmen jeweils einen Sitz erhielten.

In der Legislatur von 2009 bis 2014 hatte die Gemeindevertretung keine gravierende Entscheidungen zu treffen. Die wichtigsten Themen waren:

  • Es gab einen Antrag zur Errichtung eines Solarparks im Süden Reddelichs. Der Investor wollte die notwendige städtebauliche Planung, einen Flächennutzungs- und Bebauungsplan, bezahlen. Dazu kam es aber nicht. Der Investor zog, wegen geänderten Förderbedingungen, seinen Antrag zurück.
  • 2010 keimte die Diskussion auf, Teile des Gewerbegebietes zum Mischgebiet umzuwidmen um eine Vermarktung zu fördern. Der Gedanke wurde jedoch wieder fallen gelassen.
  • Die Gründung eines Amtsbauhofes im Amt Bad Doberan-Land brachte etwas Entspannung in den defizitären Gemeindehaushalt. Danach hatte die Gemeinde keine eigenen Angestellten mehr und musste keine Stellenpläne von der Kommunalaufsicht genehmigen lassen. Im Reddelicher Bauhof im Gewerbegebiet war mit Jörg Morwinsky ein Mitarbeiter des Amtsbauhofes ständig vorort.

In der öffentlichen Wahrnehmung war die Gemeinde vorwiegend eine arme Kommune mit fürchterlichen Finanzproblemen. Dieser Darstellung stellten sich die Redakteure der Dorfzeitung RADUCLE in ihrer Winterausgabe 2012 energisch entgegen. Sie konnten belegen, dass Reddelich, außerhalb des defizitären Haushalts, ehrenamtliche Aktivitäten vorweisen kann, die beispielgebend in der Region sind.

Gemeindevertretungen und Bürgermeister von 2014 bis 2019

Mit der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 haben 442 Wähler, von 750 Wahlberechtigten, in der Gemeinde, ein deutliches Zeichen für einen Generationswechsel gesetzt. Es wurde die bisher jüngste Gemeindevertretung gewählt. Alle Gemeindevertreter waren unter fünfzig Jahre alt. Die Bürger der Gemeinde erhofften sich davon viele neue Ideen und eine Menge Elan. Zum Bürgermeister wurde Ulf Lübs mit 336 Stimmen gewählt. Einen Sitz in der neuen Gemeindevertretung erhielten:

  1. Andreas Elmer mit 225 Stimmen (1. Stellv. des Bürgermeisters)
  2. Antje Hakendahl mit 156 Stimmen (2. Stellv. des Bürgermeisters)
  3. Richard Kruth mit 144 Stimmen
  4. Torsten Wunderlich mit 121 Stimmen
  5. Dr. Görres Grenzdörfer mit 103 Stimmen
  6. Thoralf Schulz gleichfalls mit 103 Stimmen
  7. Petra Schindler mit 101 Stimmen
  8. Ralf Schildt mit 92 Stimmen

Es konstituierte sich eine Gemeindevertretung, in der Parteigezänk und Fraktionen keine Rolle spielten. Es war eine ehrliche Wahl ohne Tricks und Kniffe durch das Verhältniswahlrecht. Da der Bürgermeisterkandidat nicht gleichzeitig auch für Gemeindevertretung kandidierte, entsprach die neue Gemeindevertretung exakt dem Willen der Wähler.

Artikel aktualisiert am 21.03.2024