Reformversuche Anfang 18. Jahrhundert

Nachdem zur Wende in das 18. Jahrhundert die schlimmsten Kriegswunden verheilt waren, erkannte die Landesregierung in Schwerin, dass es dringend einer Reform des Abgabesystems bedurfte. Basis dafür war eine Vermessung der Dorfschaften und eine Neuaufteilung bei der Bewirtschaftung der Fluren. Dies gingen die Ämter ab 1701 an. Eine Rolle wird auch der Druck durch die Festlegungen der 3. Hauptlandesteilung gespielt haben.

Zur Ausführung wurden Landmesser bestellt. Das waren meist Offiziere mit der entsprechenden Ausbildung, denen Musketiere als Gehilfen beigestellt wurden. Die Dorfschaften wurden angewiesen, die Landmesser nach Kräften zu unterstützen, insbesondere mit Angaben zu Flurnamen und Besonderheiten der Feldflur. Diese, in den Dörfern geläufigen Bezeichnungen waren wichtige Navigationspunkte im Alltag der Menschen, ähnlich den heutigen Straßennamen. Der Auftrag an das Amt Doberan zur Landvermessung erging am 20. Februar 1705. Der zuständige Landmesser war der Ingenieur-Kapitän Böttcher.

Die Vermessung des Doberaner Amtsbereiches stellte sich als problembehaftet heraus. Das lag in erster Linie an der Verpachtung des Amtes an den Baron Mardefield, der sich als unkooperativ entpuppte. Ein Ämterverzeichnis vom 17. August 1716 wies Doberan weder als vermessen, noch als registriert aus.

Anders sah es bei der Umsetzung der Abgabenreform aus. Diese wurde im Amtsbereich seit 1702 angewandt, auf Basis der alten Hufenrechnung. Danach war die Vollhufe mit ein Last und vier Scheffel (~ 2,1 Tonne metrisch) Getreide sowie drei Spann- und drei Handtage belastet. Diese Besteuerung wurde im Verhältnis auf die festgelegte Hufenzahl der Wirtschaften umgerechnet. Die Hand und Spanndienste konnten auch mit 20 bis 24 Taler jährlich abgegolten werden. Ferner wurde ein Taler Dienstgeld monatlich fällig, mit dem Amtslasten wie Dragonergeld, Schiffsgeld, Holzfuhrgeld, Gartengeld, Luntengeld und Pferdegeld umgelegt wurden. Amtsfuhren blieben bestehen, Extrafuhren wurden besonders vergütet. Unter stehende Erhebungen wurden Amtssteuern zusammengefasst und als Geldforderung auf die Dorfschaften umgelegt. Dazu gehörten die Professorenpacht, eine Umlage für die Uni Rostock, sowie Geldpacht, Wischgeld, Tappelgeld (Schanksteuer), Bede (Landessteuer), Ablagerbier und Ablagerhafer, sofern diese beim Amt lagen. Ablagerschweine und -ochsen wurden bei Bedarf natural abverlangt. Vieh- und Kornzehnt waren weiterhin zu bezahlen. Hühnerabgaben wurden in Pachthühnergeld zusammengefasst. Als Sondersteuer blieb das Wüst-Acker-Geld bestehen, ein Relikt des Dreißigjährigen Krieges. Neu war, dass auch die Einlieger Abgaben zu entrichten hatten. Ihnen wurde der Viehzehnt, das Pachthühnergeld und ein Schutzgeld von einem Taler auferlegt. Auch mussten die Einlieger einen Tag in der Woche Gartendienst auf dem zugewiesenen Hof leisten. Eine Vorstellung vom Wert eines Talers bekommen wir aus dem Wissen, dass eine Kuh zur damaligen Zeit mit fünf bis sechs Taler veranschlagt wurde.

Summa summarum lässt sich konstatieren, dass diese Reform Vereinfachungen bei der Erhebung beinhaltete und ein konsequenter Schritt von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft war. Den Untertanen brachte sie jedoch keine Erleichterungen. Daher war es nicht verwunderlich, dass die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges nirgends so lange bestanden, wie in Mecklenburg. Im Gegensatz zu weitsichtigeren Nachbarn, konnten sich die schwachen Mecklenburgischen Herzöge nicht gegen die mehrheitlich konservativen Ritter im Land durchsetzen. Erkenntnisse fähiger, progressiv eingestellter Beamter in Schwerin waren noch nicht gefragt. Die Gesetzgebung in Mecklenburg seinerzeit ist mit reaktionär noch recht wohlwollend beschrieben.

1709 erließ der Herzog für Doberan eine neue Amtsordnung, in der die leistenden Dienste detailliert aufgeschrieben wurden. Die Dienste für die Hauswirte, wie die untertänigen Bauern dort erstmalig genannt wurden, wurde ausgeweitet. Da klang es schon fast zynisch, wenn dort auch verfügt wurde:

  • Beim Tod des Hauswirts ist die Stelle vierzehn Tage und beim Tod der Hausfrau acht Tage dienstfrei zu stellen war, jedoch nur außerhalb der Ernte.
  • Die Pensionäre (wie die Gutshofpächter genannt wurden) hatten bei der Dienstarbeit ein Stundenglas bereitzustellen. Den Untertanen war es erlaubt, ein Eigenes mitzubringen.
  • Die Knechte sollten angehalten werden, sich auf der Rücktour von Fuhren nicht in den Krügen voll zu saufen.

Prämisse für die Festsetzung von Steuern und Abgaben war: Welche Lasten können den Untertanen aufgebürdet werden, ohne diese zu ruiniere. Das steht zwar in keiner offiziellen Schrift, zieht sich aber wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte. Zugeständnisse wurden nicht aus Menschenfreundlichkeit gemacht sondern aus wirtschaftlichem Kalkül.

Bezeichnend für die Mecklenburgische Administration war, dass die Verwaltung 1719 quasi unter Kuratel einer Kaiserlichen Kommision gestellt wurde, Mecklenburg also de facto pleite war. Die Arbeit dieser subdelegierten Räte der Kaiserlichen Kommision mit Sitz in Rostock wurde von Zeitgenossen als segensreich beschrieben. Sie räumte als Erstes mit der Allmacht der Gutshöfe im Domanium auf. Alle Höfe wurden hinsichtlich ihrer Pachtleistungen auf den Prüfstand gestellt und neu bewertet. Auch den Reddelicher und Brodhäger Hauswirten dürften folgende Anweisungen Mut gemacht haben:

Bittet ein Bauer um pecuniäre Hülfe, ist darüber nach folgenden Gesichtspunkten Untersuchung anzustellen:

  • Ist der Bauer durch übermässigen Dienst heruntergebracht, dann muss der Pensionär dafür stehen und wird dazu noch bestraft.
  • Hat er sich selbst ruiniert, so ist er abzumeiern und zum Einlieger oder Kätner zu machen. An seiner Stelle ist tüchtiger Hauswirth auf die Hufe zu setzen.
  • Hat er Unglück gehabt und kann die Vorschüsse nicht zurückgeben, so können sie ihm nach Untersuchung erlassen werden.

Nachdem die Pachtverhältnisse der Höfe in Ordnung gebracht wurde, nahm sich die Komission der Hufenbewirtschaftung an. Als Erstes wurde die vernachlässigte Vermessung der Dorfschaften von 1705 zu Ende gebracht. Die im Zuge der Vermessung angefertigten Flurkarten der Dörfer sind später bei einem Brand vernichtet worden. Die abschliessenden Ergebnisse wurde in den Dorfschaften, im Beisein von benachbarten Schulzen, erörtert und hatten dann im Wesentlichen Bestand bis zur Vererbpachtung 1871.

Im Jahre 1746 mussten die Reddelicher Bauern Dienste auf den Pachtgütern Vorderbollhagen, Brusow und Jennewitz leisten. Die Landwirtschaft wurde sehr rückständig betrieben. Neben den Eigentumsverhältnissen, die wenig Anreize zu Leistung boten, war auch die Ausbildung rückschrittlich. Jeder Bauernsohn übernahm von früher Kindheit an die Verhaltensweisen von seinem Vater oder von den älteren Knechten. Von ihnen lernte er die landwirtschaftlichen Arbeiten, wie zum Beispiel Hacken, Säen, Mähen, Dreschen, Häckseln, Mist ausfahren usw. Durch diese Übermittlung der traditionellen Arbeitsweise über mehrere Generationen war an eine Verbesserung des Wirtschaftens nicht zu denken.

Artikel aktualisiert am 23.07.2023