Die Geschichte der Brodhäger Schule

Das Anwesen auf der rechten Seite, wenn man aus Steffenshagen kommend in Brodhagen einfährt, war bis etwa 1960 die Schule von Brodhagen. Bis zur Privatisierung 1990 waren in dem Haus verschiedene Institutionen der Gemeinde untergebracht, so ein Kindergarten, der Dorfkonsum und ein Festsaal. Im Obergeschoss wurden Wohnungen vermietet.

Aus einer Beschwerde des Kalkbrenners Elsner von 1816 geht hervor, dass die Brodhäger Kinder zu dieser Zeit in Reddelich zur Schule gehen mussten. Wegen des beschwerlichen Weges nach Reddelich [sicher auch wegen der besseren Bildung] schickte er seine Kinder nach Doberan, musste aber in Reddelich auch Schulgeld zahlen. Er bat um Erlassung desselben.

Zwischen 1816 und 1867 wurde in Brodhagen eine Schule gebaut. Zur Volkszählung 1867 lebten im Schulhaus: Der Lehrer Johann Voss (geb. 1827) mit Ehefrau Louise (geb. 1826), den Kindern Frida (geb. 1856), Hermann (geb. 1858), Richard (geb. 1861) sowie Paul (geb. 1866) und das Dienstmädchen Sophie Schmidt (geb. 1853).

Zur Volkszählung 1900 lebten auf dem Anwesen: Der Lehrer Johann Krambeer mit Ehefrau Emma, Sohn Karl und dem Dienstmädchen Friederike Holst.

Zu Beginn der 1920er Jahre wurden die Schulräte angewiesen, die Dorfschulen in Mecklenburg zu inspizieren. Die ausgefüllten Formulare dazu, geben uns heute wertvolle Informationen über die damaligen Schulverhältnisse. Im April 1920 besuchte Schulrat Daebeler die Brodhäger Schule.

In der einklassigen Schule wurden zum Inspektionszeitpunkt 58 Kinder beschult. Davon waren lediglich 28 Kinder aus Brodhagen, die Mehrheit der Schüler kam aus Vorder-Bollhagen. Zur Beschaffenheit des Klassenzimmers steht im Protokoll:

Reinigung: Das Klassenzimmer wird zweimal wöchentlich gefegt und nur in den Ferien aufgewaschen.
Heizung: Die Heizung beſorgt der Lehrer. In der Klasse ſteht ein eiſerner Dauerbrandofen.
Beleuchtung: Die Klasse hat 4 große nach Süden liegende Fenſter. Kunſtlicht fehlt.
Lüftung: Die Lüftung geschieht durch 4 Kippfenſter und 2 Luftschächte
Anſtrich: Die Klasse wird einmal gekalkt.
Fußboden: Der Fußboden aus geſpundeten Tannenbrettern, die ſeit 6 Jahren kein Öl erhalten haben.
Maße der Klasse: 7 Meter lang, 6 Meter breit und 3 Meter hoch.

Auch über die Ausstattung der Schule wurde berichtet. Danach genügten die Bänke noch, sollten aber nach und nach erneuert werden. Der Lehrerpult hingegen war reparaturbedürftig. Es waren zwar zwei kleine Schränke vorhanden, die aber für die noch zu beschaffenden Lehrmittel micht ausreichen. Bis auf gerahmte Heimatbilder von Mecklenburg fehlte häuslicher Wandschmuck. Vorhänge jedoch waren vorhanden, wie auch Kartenhalter. Schultafeln waren vorhanden aber in schlechtem Zustand. Diese sollten: »geschwärzt und vorschriftsmäßig liniert werden«. An Lehrmittel waren vorhanden:

1.für den Deutschen Unterricht: nichts
2.für Rechnen u. Raumlehre: eine Rechenmaschine, ein Standtafellineal, ein Standtafelzirkel und ein Winkelmesser
3für Religion: eine Karte von Paläſtina
4.für Erdkunde: Bönik/Stade Karte von Mecklenburg, Harms politische Karte von Deutschland.
5.für Naturgeschichte: fünfzig Bilder von Schröder/(Reck)
6.für Naturlehre: nichts


Dem Lehrer standen zu Wohnzwecken unten drei und oben ein beheizbares sowie ein unbeheizbares Zimmer zur Verfügung. »Die nötigen Nebenräumlichkeiten sind vorhanden.« Nutzen konnte der Lehrer auch rund 1050 m² Gartenland. Für den Handarbeitsunterricht der Schülerinnen gab es einen gesonderten Abschnitt im Protokoll. Diesen abzusichern war damals augenscheinlich sehr wichtig. Für Brodhagen war vermerkt: Den Unterricht erteilt Frau Lehrer Dreyer, 1896 von Frau Pastor Romberg in Warnkenhagen geprüft. achtzehn Schülerinnen, wöchentlich 4 Std. Unterricht.

Abschließend führte der Inspekteur folgende Mängel auf:

  1. Es fehlt ein Pissoir, das beschleunigt gebaut werden muss.
  2. Die Aborte müssen sauberer gehalten werden. Sie sind regelmäßig wöchentlich gründlich zu reinigen.
  3. Auch die Reinigung der Klassenzimmer genügt nicht. Es muß regelmäßig neben der bisherigen Reinigung noch einmal naß aufgenommen werden.
  4. Der Klassenfußboden muß geölt werden.
  5. Von den Schulbänken genügen fünf nicht mehr. Sie sind nach und nach durch neue zu ersetzen. Die Anzahl der Bänke reicht für die vorhanden Kinderzahl nicht aus.
  6. Das schadhafte Lehrerpult ist auszubessern.
  7. Die beiden kleinen Schulschränke reichen für die Lehrmittel nicht aus. Es ist noch ein Schulschrank zu beschaffen, der neben Karten und Bilder die noch zu beschaffenden Apparate für den Physkunterricht aufnehmen kann.
  8. Eine Schultafel ist schadhaft. Sie muß ausgebessert werden. Außerdem müssen beide Tafeln neu geschwärtzt und mit vorschriftsmäßiger Lineatur verſehen werden.
  9. An Lehrmitteln sind zu beschaffen:
    a) Für den Deutschen Unterricht vier Deutsche Märchenbücher und
    b) für Rechnen und Raumlehre die nötigen Körper, nämlich Würfel, Prisma, Pyramide, Zylinder, Kegel und Kugel.
    c) für Erdkunde Harms, politische Karte von Europa sowie d) für Naturlehre die notwendigsten (…) Apparate (…) für den Chemieuntericht (…).
  10. Der Turnplatz muß (…).
  11. Für den Turnunterricht müssen noch zwei Schlagbälle mit Schläger angeschafft werden.

Zum Ende wurde die Hand des Verfassers wohl schon etwas müde. Seine Handschrift wurde deutlich schlechter und einige Passagen nicht zu entziffern. Am Schluß bemerkte er noch, dass er den Unterricht von Lehrer Dreyer nicht hospitieren konnte, weil dieser auf einem Lehrgang war.


Um in die überfüllte Klasse der Schule etwas Ruhe hineinzubringen, wurde 1927 eine zusätzliche Lehrerstelle geschaffen. Am 26. April 1927 bekam der Lehreranwärter Hans Lohse aus Gammelin Post aus dem Mecklenburg Schweriner Ministerium für Unterricht. Darin wurde ihm seine Versetzung nach Brodhagen mitgeteilt.

1927 gründeten die Gemeinden Brodhagen Dorf, Brodhagen Hof und Vorder-Bollhagen einen Schulverband. 1931 wurde die Satzung neu formuliert und am 1. April in Kraft gesetzt. 1937 gab sich der Schulverband gleichfalls eine neue Satzung.

1937 leistete Frida Burmeister ihren Amtseid als Handarbeitslehrerin. Abgenommen hat den Eid ihr Ehemann und Schulleiter Lehrer Burmeister.

1942 ist ein Schriftverkehr über zwei notorische Schulschwänzer aus Brodhagen Dorf aktenkundig geworden. Offenkundig hatte die Mutter die Beiden nicht im Griff. Der Vater leistete seinen Wehrdienst ab. Die Brodhäger Schule war kriegsbedingt geschlossen. Die Brodhäger Kinder mussten nach Bad Doberan in die Schule. Involviert in dem Verfahren waren das Kreisjugendamt, der Kreisschulrat, die Bürgermeister von Bad Doberan und Brodhagen, der Gutshofpächter Dierks, der Schulrektor Boldt aus Bad Doberan und der Klassenlehrer Kittmann, der auch die Anzeige erstattete. Einleitend schrieb das Jugendamt am 23. November 1942 an den Kreisschulrat:

Hierneben überreiche ich die bei mir über die Kinder des zum Heeresdienſt eingezogenen Landarbeiters H. Z. in Hof Brodhagen erwachſene Blattſammlung zur gefl. Kenntnisnahme und mit der Bitte, zu veranlassen, daß die Mutter der Kinder, Frau E. Z. in Hof Brodhagen, durch Verhängung von Geldstrafen angehalten wird, ihre Söhne G. und E. regelmäßig zur Schule zu schicken.

Bei einer Verwarnung der Frau Z. am 4. ds. Mts. erklärte dieſe, ihre genannten Söhne ſeien am regelmäßigen Schulbeſuch bei schlechtem Wetter durch mangelhaftes Schuhzeug behindert. Der Frau Z. wurde darauf ein Gutschein ausgehändigt, der sie berechtigte, für Rechnung des Landrats,: Abt. für Familienunterhalt, je ein Paar Schuhe für G. und E. zu kaufen. Frau Z. wolle die Schuhe baldmöglichſt beſorgen und ihre Jungen dann regelmäßig zur Schule schicken. Nach einem Bericht der Volkspflegerin Marie Wandschneider vom 14. ds. Mts. hat Frau Z. ihr Verſprechen nicht gehalten. Sie hat die Kinder nur zweimal zur Schule geschickt. Der Klassenlehrer, Herr Kittmann, hält ein energisches Eingreifen für dringend erforderlich.

Während der Kreisschulrat im weiteren Verfahren vermittelnd auftrat, gab es von den anderen Beteiligten unterschiedliche Auffassungen. Lehrer Kittmann plädierte dafür, die Frevler in ein Heim für Schwererziehbare zu stecken. Der Bad Doberaner Bürgermeister, in seiner Funktion als zuständige Polizeibehörde, wollte mit einer verschärften Geldstrafe Besserung erzielen. Der Sachbearbeiter vom Jugendamt hielt grundsätzlich nichts davon, Kinder von Vätern im Wehrdienst in Besserungsanstalten zu stecken. Außerdem waren die Erziehungsheime zum damaligen Zeitpunkt bereits überfüllt. Bürgermeister und Gutshofpächter sprachen sich vehement gegen eine Geldstrafe aus. Sie hielten es für ausreichend, die Mutter anzuschreiben und damit energisch zu ermahnen, ihr im Wiederholungsfall die Kinder wegzunehmen.
Abschließend sollte für die Jungs ein amtlicher Vormund bestellt werden, der für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen hatte.

Die Schule nach 1945

Im Auftrag des Bezirksschulrates wurde im Oktober 1945 die Schule durch den künftigen Lehrer (Rauch) inspiziert. Offensichtlich sollte der Schulbetrieb dort wieder aufgenommen werden. Der Inspizient musste feststellen, dass die beiden Klassenräume mit Kriegsflüchtlingen belegt waren, der Ofen durch Explosion zerstört und Mobilar so gut wie nichts vorhanden war. Fenster waren zerbrochen und die Rahmen beschädigt. Lehrmaterial war kaum noch vorhanden, wie auch Heizmaterial. Der Bürgermeister versprach, umgehend die Reparaturen zu veranlassen und Heizmaterial zu besorgen. Mit elektrischem Strom ist das Gebäude nicht versorgt. Ein bewohnbares Zimmer für den Lehrer stand im Haus zur Verfügung.

Am 15. Februar 1946 beschwerte sich der Junglehrer, Walter Mondroch (geb. 1919), dass er die Brodhäger Schule nicht eröffnen kann, weil er kein Entlausungsmittel bekommt. »Eine Entlausung ist unbedingt erforderlich, da verlauste und kranke Umsiedler im Klassenraum untergebracht waren.«, schrieb er. Offensichtlich wurde er erhört, denn einige Tage später schrieb er an den Schulrat:

Bitte Ihnen mitteilen zu dürfen, dass ich den Unterricht in der Schule Brodhagen am 21. 2. aufgenommen habe. Bänke habe ich von Doberan erhalte, Schulraum ist desinfiziert, Kinder sind alle auf ungeziefer untersucht, 2 Kinder mit Krätze und 3 mit Ungeziefer sind dem Amtsarzt zur Behandlung zugewiesen worden. Ein Bett und Tisch für mich habe ich auch erhalten. Unterricht gebe ich für das 3. bis 8. Schuljahr = 25 Kinder von 8:00 bis 11:00 Uhr, für das 1. u. 2. Schuljahr = 27 Kinder von 14:00 bis 16:00 Uhr. Eine andere Zusammenlegung der Schuljahre konnte ich nicht vornehmen, da die Anzahl der Bänke beschränkt ist.

Den Mangel an Schreibpapier habe ich dadurch behoben, daß ich jedes unbeschriebene Blatt gesammelt habe. Leider ist in der Zeit, als Frl. Freiberg hier schon als Lehrerin eingesetzt war, für mich sehr wertvolles Unterrichts- und Schreibmaterial durch die Flüchtlinge, die hier untergebracht waren, vernichtet worden. Es hätte, bei auch nur geringstem Interesse von Frl. Freiberg, sicher gestellt werden können. …

Der Rest des Briefes ist pure Denunziation von Frl. Freiberg.

Ein Erfassungsbogen von September 1946 zeigt auf, dass in der Schule 26 Bodhäger Schüler und 38 aus Vorder Bollhagen unterrichtet wurden. Junglehrer Mondroch war alleiniger Lehrer und hatte einen Klassenraum von 54 m² zur Verfügung. Die Unterrichtsfächer sind im nebenstehenden Bild ersichtlich.

Im September 1946 schrieb der Rektor des Bad Doberaner Gymnasiums an den Schulrat, dass in der Brodhäger Schule der Junglehrer Mondroch mit zwei Brüdern wohnte und dort immer noch Flüchtlinge untergebracht waren. Er jedoch steckte in der Bredouille, zugewiesene Lehrer mit Familien für das Gymnasium nicht unterbringen zu können.

Im Januar 1947 wurde Lehrer Mondroch nach Bad Doberan versetzt und Charlotte Blum wurde Lehrerin in Brodhagen. Sie zog in die Lehererwohnung des Schulhauses ein. Im April 1948 gab es 63 Schüler in der Brodhäger Schule, die von Frau Blum und Lehrer(in?) Herbst unterrichtet wurden.

1949 stellte die MAS Jennewitz beim Kreisschulrat den Antrag, dass die Gemeinde die Schulräume für ein Erntefest nutzen kann. Dem Antrag wurde stattgegeben.

1951 schrieb der Kreisschulrat einen Bericht über die Zustände an der Brodhäger Schule an den Rat des Kreises. Darin kommt zum Ausdruck, dass seitens der Gemeinde kaum etwas für die Verbesserung der Situation getan wurde, obwohl diese als Schullastenträger in der Pflicht war. Erst eine Veröffentlichung in der regionalen Presse brachte Verbesserung. Als Lehrerin wurde in dem Schreiben Frau Blum genannt.

1990 kauften die Eheleute Erhard und Gitta Rünger der Gemeinde die ehemalige Schule ab. Genutzt wurde das Gebäude danach nur zu Wohnzwecken. 2012 berichteten die Eigentümer von der Brodhäger Schule:

Im August 1969 zogen wir in die ehemalige Schule von Brodhagen. Im Erdgeschoss wohnte die Familie Stübe, wir zogen in das Dachgeschoss ein. Der Anbau wurde vor 1969 als Kindergarten genutzt, danach als Kultursaal der Gemeinde. Im ehemaligen Schulzimmer befand sich der Dorfkonsum, den Frau Nehrenheim aus Reddelich führte. Ich (Gitta Rünger) war für den Reddelicher Konsum zuständig. Diese paradoxe Situation dauerte bis etwa 1971 an, wo Frau Nehrenheim in Reddelich bleiben konnte und ich in Brodhagen. Bis zu seiner endgültigen Schließung 1990 mein Arbeitsplatz und eine schnell erreichbare Einkaufsmöglichkeit für die Brodhäger. 1990 kauften wir der Gemeinde das Anwesen ab.

Gitta Rünger, 2012


Aus seiner Schulzeit berichtete der Brodhäger Herbert Bull 2015:

Im Jahr 1935 wurde ich in Brodhagen eingeschult, wo ich bis 1940 einen bequemen, weil kurzen Schulweg hatte. 1940 wurde der Lehrer Friedrich Burmeister zum Militär eingezogen und wir mussten fortan nach Bad Doberan zur Schule. Lehrer Burmeister blieb nach dem Krieg im Westen. Ich erinnere mich an ein Gespräch "über den Gartenzaun” zwischen ihm und meinem Vater um 1950, wo er offensichtlich Brodhagen besuchte.

Mehr ist von den Schülern und Lehrern, die dort im Laufe der Jahre wirkten nicht bekannt. Viele allgemeine Fakten von Dorfschulen in Mecklenburg sind im Kapitel über die Schule von Reddelich beschrieben

Artikel aktualisiert am 22.03.2024