Von Reinhold Griese (Recherche), Ulf Lübs (Text, Layout).
Die ehemalige Hufe II, in der Steffenshäger Straße, ist heute kaum noch als Bauernhof zu erkennen. Das Bauernhaus steht zwar noch als Mehrfamilienwohnhaus, ist aber eng flankiert von modernen Eigenheimen, die auf dem parzellierten Hof errichtet wurden. Der Acker wird von auswärtigen Landwirten bewirtschaftet.
Der erste, bislang aufgetauchte Aktenvermerk, der eindeutig der Hufe II zuzuordnen ist, stammt aus einem Leibeigenenverzeichnis des Domanialamtes Doberan von 1753. Dort sind für die Hufe vermerkt:
- Der Hauswirt Hans Bull (40) und dessen Ehefraau Anna Maria, geb. Ratken und die Kinder: David (9), der Gehöftserbe, Andreas (6), Anna (4) und die Zwillinge Jochim und Catharina(2),
- das Gesinde: des Hauswirts Bruder Johann (32), Hans Kuhl (20), Hans Runge(16), Dorothea Garvens beide aus Glashagen;
- im Katen des Gehöfts: Des Wirts Mutter Elisabeth Junge, Wittwe Bull und deren Kinder Hans, Jochim und Engel (mit Joachim Waack verheiratet), Claus(38), Christian(30).
Danach wurde David Bull Hauswirt und starb 1777 »ohne Hinterlassung von ehelichen Leibeserben«. Ein Bruder des Verstorbenen bewarb sich beim Doberaner Amt um den Bauernhof, was nicht genehmigt wurde.
Andreas Borgwardt, Sohn des Schulzen Jochim Borgwardt aus Obersteffenshagen, heiratete die Witwe und übernahm noch 1777 die Hofstelle. Er bezahlte die auf der Stelle lastenden Schulden und vervollständigte die verringerte Hofwehr. Die Einweisung erfolgte im Beisein der Reddelicher Hauswirte: Andreas Bull, Daniel Baade, Heinrich Masch und Hans Waack.
Zum Inventar gehörten: Das Wohnhaus mit einer Länge von sieben Fach, Dach und Fach im mittelmäßigen Zustand; eine baufällige Scheune mit einer Länge von fünf Fach und ein Katen mit drei Fach in mittelmäßigen Zustand. Wenn man ein Gefache mit etwa 1,20 bis 1,50 Meter annimmt, war das schon fast eine armselige Bebauung. Dazu passte auch, dass es David Bull nicht gelungen war, die Hofwehr zu erhalten. Diese offensichtliche Mißwirtschaft mag auch krankheitbedingt gewesen sein, schließlich starb er schon mit 33 Jahren.
Weiterhin waren auf dem Hof vorhanden: acht Pferde mit Altersangaben und Aussehen (z. B. ein Wallach, zehn Jahre alt, auf einem Auge blind), ein Füllen, vier Ochsen, vier Kühe, ein Stier, eine Stärke, ein Kalb, ein Schaf, acht alte Gänse, zehn Hühner mit Hahn, drei ganz fertige Wagen, zwei Haken, ein Pflug, 1eine Handsäge, zwei Beile, drei Bohrer, zwei Schneideladen, vier Mistgabeln, ein Amboss mit Hammer und Mahlsteine.
Aktiva waren nicht vorhanden. An Passiva wurden unter anderem aufgeführt:
- Der Knecht Garven hatte noch rückständigen Lohn zu bekommen.
- Beim Einlieger Wendt gab es noch Schulden.
- Schuster Pentzin hatte noch den Lohn für zwei Paar Schuhe zu erhalten.
- Pensionär (Gutspächter) Hagemeister zu Vorderbollhagen hatte noch den Vorschuss für einen Ochsen zu fordern.
Auch diese Angaben bestätigen das Bild von einem recht heruntergekommenen Hof. Einzig die Pferdezucht schien zu florieren.
Der neue Hauswirt wurde ermahnt getreu und fleißig zu wirtschaften. Das Amt erteilte ihm die Versicherung, so lange im Besitz der Hofstelle zu sein, bis seine leiblichen Erben die Hofstelle übernehmen können, wenn sie dazu geschickt genug sind. Die Übergabe wurde mit Handschlag und dem Eid des Hauswirtes besiegelt.
1778 stellte Andreas Borgwardt beim Amt den Antrag, für ihn zwei Pferde anzukaufen, da er dazu nicht in der Lage wäre. Das wurde genehmigt. Was mit den acht Pferden passiert ist, die er im Jahr zuvor übernommen hatte, ist nicht bekannt.
1816 erfolgte die Einweisung des Christian Upleggers in die Hofstelle. Er hatte schon 1814 die Übernahme der Stelle beantragt. Christian Uplegger war Knecht in Redewisch (Rethwisch). Offensichtlich hatte auch Andreas Borgwardt keine leiblichen Erben, die als fähig angesehen wurden, den Bauernhof zu führen.
Die Reddeliche Dorfschaft musste überprüfen, ob er die Wirtschaftsfähigkeit besaß. Ebenso musste der Bewerber seine Vermögenslage offen legen, um das Altenteil für den Vorgänger zu befriedigen und den Altenteilkaten neu aufzubauen. Die Hofwehr des Borgwardtschen Gehöfts umfasste zu dem Zeitpunkt:
- Das Wohnhaus mit acht Fach in guten Zustand,
- Scheune mit fünf Fach und drei Ställen in einem mittelmäßigen Zustand,
- Altenteilkaten von fünf Fach in einem sehr schlechten Zustand und
- einen Garten mit Obstbäumen.
Folgende Hofwehr wird mit Wertangaben aufgeführt: fünf Pferde, vier Kühe, vier Ochsen, fünf Kälber, eine Sau mit acht Ferkeln, sieben Pölk, neun Gänse mit Ganter, neun Schafe, 23 Hühner mit Hahn, zwei beschlagene Wagen, Zwei Haken mit Eisen, ein Pflug mit neuem Eisen, vier hölzerne Eggen, und an Hausgerät drei Gesindebetten.
Offensichtlich hat Andreas Borgward in den fast vierzig Jahren, die er dort gewirtschaftet hatte, die wirtschaftliche Lage deutlich verbessern können.
1825 wurde die Scheune vergrößert, da das Korn sonst nicht untergebracht werden konnte.
1842 übernahm Joachim Uplegger mit einer Einweisung den Hof. Welche Umstände dazu führten, ist nicht bekannt. Im Protokoll ist das Inventar festgehalten. An Vieh waren vorhanden: acht Pferde, ein Füllen, ein Ochse, eine Kuh, ein Stier, eine Stärke, ein Kalb, zwei Sauen, zwölf [Mast-] Schweine, acht Gänse und zehn Hühner. Joachim Uplegger vergrößerte das Wohnhaus, da es nur eine Stube hatte. Ein Pferdestall wurde errichtet. Er hatte die Größe von 42 Fuß und acht Zoll lang, 32 Fuß breit und das Fachwerk war neun Fuß hoch (ein mecklenburgischer Fuß hat 0,291 m).
1867, zur Volkszählung, lebten im Bauernhaus der Hufe:
- Der Hauswirt Joachim Uplegger (geb. 1821) mit Ehefrau Maria Uplegger (geb. 1818) und den Kindern Johann Uplegger (geb. 1843, und Knecht), Maria Uplegger (geb. 1857).
- Der Knecht Johann Schwark (geb. 1848), der Dienstjunge Wilhelm Plakenmeier (geb. 1851), die Dienstmädchen Caterina Mindt (geb. 1842) und Doretea Jening (geb. 1849).
- In Wittenbeck hielt sich am Zähltag das Familienmitglied Heinrich Uplegger (geb. 1850) auf.
Im Katen des Gehöftes lebten:
- Der Einlieger Johann Schuldt (geb. 1829) mit Ehefrau Sophia (geb. 1831) und Tochter Sophia (geb. 1857),
- Der Einlieger Christofer Bull (geb. 1828 ) mit Ehefrau Maria (geb. 1833 ) und den Söhnen Heinrich (geb. 1861 ) und Joachim (geb. 1866 )
1874, im Protokoll zur Einführung der Gemeindeordnung wurde als Schulze der Hauswirt Uplegger von der Hufe II aufgeführt.
1877 erhielt Joachim Uplegger einen Erbpachtvertrag. Seine Wirtschaft hatte eine Größe von 51,26 ha, und wurde auf 16.500 Reichsmark taxiert.
1884 übernahm Heinrich Uplegger die Bauernstelle. Während seiner Zeit wurde 1885 ein Viehhaus und 1907 eine Bretterscheune gebaut.
1887 wurde eine Parzelle für die Molkerei von 120 Quadratruten für 200 RM abgetrennt.
1900 bezahlte Heinrich Uplegger die Grundschuld aus dem Erbpachtvertrag. Damit war der Bauernhof schuldenfrei und Volleigentum der Familie.
1900, zur Volkszählung, lebten auf dem Hof:
- Der Bauer Heinrich Uplegger (geb. 1851) mit Ehefrau Frieda (geb. 1861) und den Söhnen Hans (geb. 1886) sowie Wilhelm (geb. 1888);
- der Vater des Bauern Joachim Uplegger (geb. 1821);
- die Dienstmädchen Martha Uplegger (geb. 1882), die Nichte des Bauern; Meta Frahm (geb. 1881) und Henriette Brüsehaber (geb. 1886);
- die Knechte Carl Schultz (geb. 1882), Ludwig Dreyer (geb. 1885) (Knecht) und Heinrich Schultz (geb. k. A.).
1920 übernahm Wilhelm Uplegger den Bauernhof. Er galt als reichster Bauer in Reddelich, weil seine Wirtschaft schuldenfrei war. 1937 baute er eine Garage in die Scheune ein.
1945 lebte Wilhelm Uplegger mit Frau und Sohn Heinz auf dem Hof. Nach Kriegsende wurden auf dem Hof einquartiert: Maria Schottowski mit Sohn Bruno aus Westpreußen, Familie Jakubowski (Johann, Frieda, Hans-Jürgen, Christel, Jutta) aus Ostpreußen, Familie Matulla (Oma, Opa, Giesela, Dieter) aus Ostpreußen, Familie Rünger (Ewald, Anna, Ulrich) aus Pommern und Frieda Niemann aus Ostpreußen.
1950 wurde die Verpachtung von 1,5 ha an Westendorf nicht genehmigt, weil die Behörde annahm, dass Uplegger durch eine reduzierte Hektarzahl von unter fünfzig sein Ablieferungssoll herabsetzen wollte.
1953 verließen Wilhelm Uplegger und seine Ehefrau Betty, geb. Roß, Reddelich und lebten fortan am Niederrhein. Am Totensonntag 2013 wurden ihre Gebeine heimgeholt und in der Ahnenreihe auf dem Friedhof zu Retschow beigesetzt.
Zu DDR Zeiten betrieb die örtliche LPG auf dem Hof eine Stellmacherei. Nach 1990 wurde das Hofgrundstück parzelliert, die Grundstücke verkauft und mit Eigenheimen bebaut. Das Bauernhaus wurde saniert und zu Mietwohnungen ausgebaut. Damit verlor die Hufe ihren Charakter als landwirtschaftlicher Betrieb.
Artikel aktualisiert am 29.03.2024