1969/70: Brand in Reddelich

Der mit Reed gedeckte Schweinestall der LPG, auf dem ehemaligen Bauernhof Brinkmann (Hufe VI), brannte in der Silvesternacht ab. Ursache war der fahrlässige Umgang mit Feuerwerkskörpern. Die rund 250 Schweine im Stall konnten gerettet werden. Personen kamen nicht zu Schaden. Holger und Uwe Elmer erinnerten sich an diesen Abend:

Mit diesem Bericht wollen wir an eine Silvesterparty vor etwa 40 Jahren erinnern, bei der die Kameraden der FF Reddelich und eine große Anzahl der Einwohner unseres Dorfes ein riesiges Feuerwerk erlebten, eine Menge harter, gefährlicher Arbeit hatten und anstelle von Glücksschein-Papiersymbolen zum Jahreswechsel richtige Schweine in den Händen hielten. Wir haben das so erlebt:

Auch die Elmers am westlichen Rand unseres Dorfes saßen am Silvesterabend 1969/70 in der Familienrunde zusammen, um den Jahreswechsel zu feiern, als etwa um 22:30 Uhr die Sirene zu hören war. Beim Blick über das Dorf fiel sofort die in Richtung Glashagen und Hof Brinckmann lodernde riesige Flamme auf. Die Feuersäule war so hell und hoch, dass ich meinem Bruder Holger zurief: »Die Gasleitung brennt«, denn einige Zeit zuvor war dort eine Ferngasleitung neu gelegt worden. Was konnte sonst so riesig brennen?

Holger als Feuerwehrmann war sofort und noch schneller als sonst bei Sirenenalarm wie ein Windhund aus dem Haus und zum Einsatz gejagt Ich lief kurz danach querfeldein über den gefrorenen Acker zum Brand, auch der Vater kam später nach. Damals war es üblich, dass bei größeren Bränden auch männliche Erwachsene, die nicht Mitglied der Feuerwehr waren, zum Brandort eilten, um eventuell zu helfen.

Das große reetgedeckte Scheunengebäude des Hofes Brinckmann, das als Schweinestall, genauer Läuferaufzuchtstall der LPG, genutzt wurde, brannte in voller Ausdehnung und es herrschten minus 18 Grad Kälte!

Es war nicht leicht für die Kameraden der Feuerwehr, bei diesen Temperaturen die Schlauchleitungen vom entfernten Teich, den Berg hinauf, auszulegen und zu stabilisieren, aber nach einigen Minuten funktionierte die Löschwasserversorgung, die dann schnell, auch mit Hilfe der Wehren aus Bad Doberan und Kröpelin, erweitert wurde. Für die Kameraden der Feuerwehr hatte ein Silvesterabend begonnen, der allerhöchsten Einsatz verlangte. Es galt ja zunächst auch, das Übergreifen des Brandes auf das Wohnhaus zu verhindern!

Am Brandort hatte sich schnell eine effektive Arbeitsteilung herausgebildet. Während Kameraden die ca. 60 bis 80 kg schweren Läuferschweine aus dem Gebäude unter dem brennenden Dachstuhl bei gefährlichsten Bedingungen hervorholten, versuchten die anderen mit dem Wasserangriff an wichtigen Bereichen des Dachstuhles die Flammen einzudämmen. Da die Schweine sich in solcher Situation nicht kontrolliert treiben ließen, musste jedes Schwein an den Hinterbeinen gefasst und nach Schubkarrenprinzip in die rettende Richtung geführt werden. Auf dem Hof wurden die Tiere von den Feuerwehrkameraden an die aus Reddelich und Glashagen herbeigeeilten Helfer übergeben, die sie dann zu einem provisorischen Gatter auf der anderen Hofseite brachten. So ging es mehrere Stunden lang bei klirrendem Frost bis in den frühen Neujahrsmorgen.

Es gelang, bis auf 5 Tiere alle anderen 245 Schweine zu retten. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder, das Wohnhaus und die andere Scheune blieben verschont. Und der alte Brinckmann konnte noch sagen: »Min Häuner hebben dat de letzten Dag lang nich so warm hatt as hüt Nacht«.

Viele Reddelicher hatten auf diese Weise, als man woanders am Neujahrsmorgen noch nicht mal ans Aufstehen dachte, schon ein großes Stück Arbeit mit beachtlichem Nutzen hinter sich. Mancher trug auch den intensiven Schweinegeruch an den Handschuhen oder am Jackenärmel mit nach Hause.

Unsere Mutter hatte die Neujahrsnacht über in der Küche eines Kühlungsborner Ferienheimes arbeiten müssen und bereits dort von dem großen Feuer in Reddelich erfahren. Als sie morgens vom Bahnhof nach Hause ging, schaute sie besorgt in den Dorfkrug hinein, um zu erfahren, ob ihre Männer heil und gesund geblieben seien. Schon im Flur fielen ihr auf dem Boden liegende verletzte Personen ins Auge. Schnell stellte sich aber heraus, dass es sich hierbei um steifgefrorene Feuerwehr-Kombianzüge handelte, die zum Auftauen dort lagen.

Was wäre eine Geschichte der FF Reddelich ohne die Erwähnung dieses Hauses, ehemals Wohnhaus mit Gastwirtschaft und Kaufmannsladen des langjährigen Wehrführers Hans Schumacher und zu vielen Gelegenheiten Hauptquartier der FF, so auch an diesem Neujahrsmorgen. Hier ging es darum, sich aufzuwärmen, wieder zu Kräften zu kommen, das Ereignis auszuwerten und sich für die Brandwachen bereitzuhalten, die bis in den Nachmittag notwendig waren. Selbst der Abbau der Schlauchleitungen war bei dem strengen Frost kompliziert, weil stehendes Wasser im Schlauch diesen sofort zur Stange gefrieren ließ. Der Abbau musste unter Druck geschehen, das Trocknen erfolgte in einer Halle des Hühnerkombinates Steffenshagen.

Eine Silvesterrakete hatte diesen ersten Verlust einer großen, das Dorfbild mit bestimmenden Scheune bewirkt Der Lauf der Zeit und veränderte Wirtschaftsmethoden ließen später leider manch andere, ehemals stattliche Scheune in den Untergang folgen.

Die FF Reddelich hatte in der Silvesternacht 1969/70 einen ihrer größten Einsätze absolviert und dabei das erreicht was zu erreichen war, das Wohnhaus und anliegende Bauten zu sichern und eben Glücksschweine zu retten.

Holger und Uwe Elmer, Reddelich, 2009