Die Reddelicher Hufe VI

Von Reinhold Griese (Recherche), Ulf Lübs (Text, Layout).

Die ehemalige Hufe VI, an der Gemarkungsgrenze zu Glashagen gelegen und vielen als Hof Brinkmann bekannt, wird noch heute (2019) als Landwirtschaftsbetrieb bewirtschaftet.

1741 wurde Jochim Bull Hauswirt, der mit Margarethe Ratken verheiratet war. An Vieh hatten sie sechs Pferde, zwei Füllen, vier Ochsen, zwei Kühe, ein Stier, eine Starke, vier Schafe, sechs Schweine, fünf Gänse und sechs Hühner. An Hofwehr waren u. a. zwei Wagen, ein mit Eisen beschlagener Pflug und zwei Haken registriert.

In der Grundliste aller leibeigenen Untertanen im Amt Doberan von 1753 wurden für die Hufe VI aufgeführt:

Im Wohnhaus:

  • Der Hauswirt Jochim Bull (1737-1783) und seine Frau Margarethe mit den Kindern: Johann (6), Maria (3)und Jochim (6 Monate);
  • das Gesinde Jochim Wendt aus Brodhagen, Clas Berens aus Steffenshagen (19), Catharina Garven (20) und Dorothea Bull;

Im Katen des Gehöftes:

  • Die Schwiegermutter des Hauswirts, Anna Fick (60), verwitwete Ratken, die Kinder Maria Ratken, mit Hans Bull verheiratet; Thies Ratken (40)

1783 übernahm der dritte Sohn, Hans Heinrich Bull (geb. 1754) die Hofstelle. Die Einweisung des neuen Besitzers und die Aufnahme des Inventars geschahen in Gegenwart des Domänenpächters Hagemeister von Vorderbollhagen. Der Viehbestand hatte sich gegenüber 1741 erheblich erweitert.

1818 übergab Hans Heinrich Bull die Wirtschaft, obwohl ihm bereits 1810 angeraten wurde, aufs Altenteil zu gehen. Sein Schwiegersohn, der Knecht Johann Westendorf, Sohn des Hauswirtes Westendorf aus Glashagen, wurde sein Nachfolger. Im Protokoll wurde der Zustand der Gebäude festgehalten. Es waren ein Wohnhaus mit sechs Fach, Scheune mit fünf Fach, Altenteilkaten mit drei Fach und Wagenscheuer mit drei Fach vorhanden.

1834 verstarb Johann Westendorf. Bis zur Volljährigkeit des Sohnes Johann jun., der erst 16 Jahre alt war, übernahm Johann Waack als Interimshauswirt die Stelle. Johann Waack hatte die Witwe Anna Westendorf, geb. Bull, im selben Jahr geheiratet. Das Gehöft war schuldenfrei. Das Inventar wurde unter Zeugen (Schulze Uplegger und Hauswirt Masch) aufgenommen.

1842 trat Johann Westendorf jun. sein Erbe an. Da Johann Waack nur wenige Jahre als Interimswirt gewirkt hatte, bekam er nur ein halbes Altenteil.

1867, zur Volkszählung, lebten im Bauernhaus der Hufe:

  • Der Hauswirt Johann Westendorf (geb. 1817) mit Ehefrau Elisa (geb. 1823) und den Kindern Maria (geb. 1847), Joachim (geb. 1850), Heinrich (geb. 1851), Johann (geb. 1856) und Christian (geb. 1860);
  • Das Dienstmädchen Maria Range (geb. 1849 ) und
  • Der Einlieger Johann Penzin (geb. 1815) mit Ehefrau Sophia (geb. 1805 ), in Hundhagen hielt sich am Zähltag Johann Penzin (geb. 1846) auf

Im Katen des Gehöftes:

  • Der Altenteiler Johann Waack (geb. 1796) mit Ehefrau Maria (geb. 1798 );
  • Der Einlieger Petter Westendorf (geb. 1831) mit Ehefrau Sophia (geb. 1839) sowie den Söhnen Johann (geb. 1859) und Heinrich (geb. 1866);
  • Die Wittwe Maria Schrödern (geb. 1816).

Im Jahre 1874 erhielt Johann Westendorf einen Erbpachtvertrag über eine Größe der Ländereien von 57 ha, 86 a und 42 m². Das Erbabstandsgeld betrug 22.300 Mark.

Im April 1891 brannte die Hofstelle im Dorf ab.


Ursprünglich befand sich der Hof der Hufe im Dorfzentrum, dem Standort der Büdnerei № 17 (Westphal). In Folge des Großbrandes von 1891 entschloss sich der Bauer Westendorf, den Hof der Bauernstelle nicht mehr im beengten Dorfzentrum aufzubauen. Der Acker der Hufe lag zwischen dem Glashäger Weg und der Brusower Grenze. Um dorthin zu gelangen, musste der Bauer mittlerweile Umwege in Kauf nehmen und die Chaussee und Bahngleise überqueren. Daher wurde der Brandschaden zum Anlass genommen, das Gehöft auf seinem jetzigen Standort in der Feldmark zu errichten. Das Grundstück im Ortskern wurde verkauft. In der Gehöftsakte steht, datiert auf den 7. September 1891:

Der Erbpächter Weſtendorf zu Reddelich hat, nachdem die Hofſtelle ſeines Erbpachtgehöftes Nr. 6 daſelbſt im Monat April (29.) des Jahres ohne ſein Verschulden faſt vollſtändig abgebrannt iſt und er eine neue Hofſtelle außerhalb des Dorfes aufgebaut hat, die getrennt von der übrigen Hufe im Dorf belegene Hofſtelle mit angrenzenden Flächen in den Nummern 151 bis 158 von zuſammen 1073 Q-Ruten: 85 Q-Ruten an den Stellmacher Fritz Köpcke zu Reddelich als Häuslerei Nr. 22, den Reſt der Fläche von 988 Q-Ruten den Fuhrmann Heinrich Schlutow daſelbſt als Büdnerei Nr. 17 verleihen zu wollen.

[14]

Die Hofstelle verkleinerte sich daurch den Umzug auf 25.612,4 Q-Ruten (54 Hektar). Westendorf bat um die Herabsetzung der Hufensteuer.

1896 wurde die Bauernstelle an den Wirtschafter Albrecht Brinckmann aus Dorf Lütten-Klein für 75.000 Mark (Hufe 63.000 Mark und Inventar 12.000 Mark) verkauft.

Zur Volkszählung 1900 lebten im Bauernhaus:

  • Der Bauer Albrecht Brinckmann (geb. 1867) mit Ehefrau Meta (geb. 1875) und den Söhnen Albrecht (geb. 1897) und Paul (geb. 1897);
  • Der Vater des Bauern, Heinrich Brinckmann (geb. 1830);
  • Die Knechte Otto Krohn (geb. 1882) und Wilhelm Frahm (geb. 1886) sowie
  • Die Dienstmädchen Pauline Körner (geb. 1883) und Auguste Bartels (geb. 1885).

1925 wurde das Erbabstandsgeld auf 5.575,50 Goldmark aufgewertet.

1927 wurde das Wohnhaus, nach einem Brand, aufgestockt.

1928 ein Sägewerk gebaut, das bis zu 28 Sägeblätter gleichzeitig aufnehmen konnte. Es wurden vor allem Sensenstreicher aus Buchenholz hergestellt.

Im Jahre 1930 wurde ein weiterer Albrecht der Familie geboren. Zur Unterscheidung wurde er von allen nur Ali genannt.

Im Jahr 1939 übernahm Albrecht Brinckmann jun. den Bauernhof.

1945 lebten auf dem Hof:

  • Der Eigentümer Albrecht Brinkmann mit Ehefrau und den Kindern Albrecht und Helga (verh. Gudacker).
  • Die Kriegsflüchtlinge: August und Meta Wesche aus Schlesien, Emma und Paul Steffen aus Ostpreußen, Familie Janz (Rudolf, Anna, Karin, Dagmar) aus Ostpreußen, Erwin Kort mit Ehefrau und Eltern aus Ostpreußen, August Karl mit Frau Mina und Tochter Minna aus Schlesien sowie Familie Doese (Karl, Ilse, Marlis, Friedhelm, Karl-Gerhard) aus Pommern.

Nach der Schule absolvierte Ali eine dreijährige Landwirtschaftslehre auf dem Hof seines Vaters. 1950/51 besuchte er die Landwirtschaftliche Schule in Bad Doberan. Anschließend machte er bis 1955 ein Fernstudium in Weimar.

Im Juni 1953 sind Albrechts Eltern mit seiner Schwester Helga nach Westdeutschland gegangen. Er selbst blieb mit seiner Großmutter in Reddelich und kümmerte sich um den Hof. Wie viele andere fand die Familie im Westen keinen festen Halt und kehrte 1954 nach Reddelich zurück. Ab 1956 war Ali Brinckmann Landwirtschaftslehrer. Sein Vater Albrecht trat 1959 der LPG bei und arbeitete als Schweinezüchter.

Ali gründete eine Familie und lebte bis zu seinem Tod 2014 in Rostock.


Nach Beitritt zur BRD wurde das Hofgrundstück von der ältesten Tochter von Ali Brinkmann, Ina Brinkmann gemeinsam mit ihrem Ehemann Ulrich (Uli) Kruth zurückgekauft. Das zur Bauernstelle gehörende Land wurde aus der LPG herausgenommen und von den Eheleuten Kruth/Brinkmann vom Wirtschaftshof aus landwirtschaftlich genutzt. Damit wurde die ehemalige Hufe VI wieder zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefügt.

Die Eheleute Kruth starben in den 1990er Jahren. Der Wirtschaftshof wurde an die Familie von Jeinsen verkauft, die auch die landwirtschaftliche Nutzfläche pachteten. Das Land erbte der Sohn von Ina Brinkmann und Ulrich Kruth, Richard Kruth, der mit Erbantritt noch unmündig war.

2011 veröffentlichte Bernd Lahl [37] einen Artikel über Ruppert von Jeinsen, dem damaligen Bewirtschafter der Hufe VI, in der RADUCLE. Nachfolgend Auszüge aus dem Artikel:

Herr von Jeinsen ist 1956 in Hannover auf die Welt gekommen und im Umland Hannovers auf einem Bauernhof aufgewachsen. Er hat drei Brüder. Der Stammbaum seiner Familie lässt sich bis in das Jahr 1130 zurückverfolgen, so auch der Ort Jeinsen mit den Wurzeln des Baumes. Für den kleinen Ruppert gab es nur den Wunsch, Landwirt oder Forstwirt zu werden. So war es kein Zufall, dass er im zarten Alter von 10 Jahren mit selbst angebauten Frühkartoffeln, die er an ein Seniorenheim verkaufte, sein erstes Geld verdiente. Für das Geld kaufte er sich Lederstiefel, ein Landwirt brauchte doch welche! War das ein Schlüsselerlebnis?

Der Weg nach Reddelich

Die Schulzeit wurde mit dem Abitur abgeschlossen. Nach einer Landwirtschaftslehre folgte ein Studium, welches Herr von Jeinsen als Diplom-Agraringenieur beendete. Nach Arbeitsjahren im Bereich Gartenbau war 1993 der Entschluss gereift, sich selbständig zu machen. Mecklenburg kam in die engere Wahl.
Über Bundes- und Landeseinrichtungen ergab sich der Zufall Reddelich, den die Familie heute als Glücksfall betrachtet. Im Januar 1997 übernahmen Herr und Frau von Jeinsen den heutigen Betrieb. Im Juni 1997 zog die Familie nach Reddelich.
Neben Ehefrau Gabriele gehören die Kinder Charlotte, Hubertus, Ferdinand und Leonie (damals 13, 11, 9 und 3 Jahre alt) zur Familie.

Zur Person

Der Tag beginnt für Herrn von Jeinsen im Normalfall um 6:00 Uhr. Das klappt auch ohne Wecker. In Spitzenzeiten, wie bei der Getreideernte, ändert sich der Tagesablauf. Wenn Sie unseren Gesprächspartner suchen, hier einige Möglichkeiten: auf dem Traktor, auf dem Mähdrescher, bei der Jagd, bei den Hunden (3 Jack Russel Terrier und 2 Labrador Retriever), bei den Pferden (er reitet als einziger der Familie nicht), im Büro. Ach ja, da ist noch die Küche. Wenn die Arbeit durch zu viel Regen unterbrochen wird oder die Winterpause angesagt ist, kocht der Hausherr und beteiligt sich an der Hausarbeit.

Bei klassischer Musik kann Herr von Jeinsen entspannen. Ein guter Whisky ist für ihn ein Genuss. Die Bekleidung reicht vom Arbeitsanzug über angemessene Tagesbekleidung. Der noble Anzug vermittelt ein gutes Gefühl für besondere Anlässe. Herr von Jeinsen ist Mitglied unserer Gemeindevertretung und unterstützt die Johanniter, obwohl sein Zeitlimit sehr eng ist.

Gern würde er sich mit Joachim Gauck unterhalten. Bei einem Vortrag beeindruckte ihn dessen Geisteshaltung und Ausdrucksweise. Besondere Vorbilder waren für ihn die Eltern und Schwiegereltern. Weiterbildung ist für ihn Ehrensache. Fachzeitschriften und Fachveranstaltungen nutzt er regelmäßig. Die schönsten Jahreszeiten sind für ihn der Winter (die ruhigste Zeit in der Landwirtschaft und Zeit für die Jagd) und der Frühling (Erwachen der Natur).

Ehrlichkeit und Vertrauen schätzt Herr von Jeinsen. Sein Leben möchte er nicht grundsätzlich verändern, Träume sollten sich aber noch erfüllen. Als Rentner möchte er Enkel verwöhnen und Reisen unternehmen. Kanada und Ostpreußen sind da vorrangige Ziele.

Aus RADUCLE Ausgabe 13, Autor Bernd Lahl


Artikel aktualisiert am 20. August 2025