Die Reddelicher Büdnerei № 3/4

Von Reinhold Griese (Recherche), Ulf Lübs (Text, Layout).

Die Büdnerei, in der Alten Dorfstraße gelegen, ist eine der wenigen Reddelicher Büdnereien, die noch heute (2018) als solche bewirtschaftet wird. Derzeit betreibt die Familie Seyer aus Bargeshagen dort eine Nebenerwerbslandwirtschaft. Sie halten dort Reitpferde und Mutterkühe mit Nachzucht, wohnen aber nicht auf dem Hof.


1817 bekam der Maurer Jürs die Doppelbüdnerei. Es ist nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich, dass er die Erstbebauung vornahm. Ungewöhnlich ist die Führung als Doppelbüdnerei. Dass die Domanialbehörde dies seinerzeit zugelassen hat, deutet auf eine geringe Nachfrage nach Neubauernstellen zu Beginn des 19.  Jahrhunderts in Reddelich hin. Auch wird der karge, ertragsarme Boden dabei eine Rolle gespielt haben, der seit den 1970er Jahren lediglich als Dauerweideland genutzt wurde.

1828 übernahm der Erbschmied Hahn (geb. 1800) aus Steffenshagen die Büdnerei, deren Größe mit 1043 (Büdnerei № 3) und 1056 (Büdnerei № 4) Quadratruten angegeben wurde. Das entspricht für beide zusammen rund 4,5 Hektar. In der Büdnerei wurde eine Schmiede eingerichtet. Es kann nicht eindeutig ermittelt werden, wann das geschehen ist. Eine Akte nennt das Jahr 1825. Im Mecklenburgischen Staatskalender von 1840 wird eine Schmiede erwähnt.

1845 erwarb Büdner Roß aus Neuhohenfelde die Büdnerei. 1849 übernahm der Schmied Peter Roß, Sohn des Vorbesitzers, diese.

Zur Volkszählung 1867 lebten auf der Büdnerei:

  • Der Büdner Peter Roß (geb. 1821) mit Ehefrau Sophie (geb. 1826) und den Kindern Johann (geb. 1846), Sophie (geb. 1850), Joachim (geb. 1852), Louise (geb. 1856), Peter (geb. 1860) und Ida (geb. 1863 ). Auf Reisen, vermutlich in Hamburg, hielt sich am Zähltag Heinrich Ross (geb. 1847) auf.
  • Der Einlieger Joachim Brockman (geb. 1824) mit Ehefrau Sophia (geb. 1824) und den Töchtern Lina (geb. 1853) sowie Maria (geb. 1855).
  • Der Einlieger Joachim Schlutow (geb. 1818) mit Ehefrau Maria (geb. 1812), Tochter Sophia (geb. 1839) und Enkel Joachim (geb. 1863). In Schwerin hielt sich am Zähltag Heinrich Schlutow (geb. 1843) und in Hasdorf Johann Schlutow (geb. 1851) auf.
  • Der Einlieger Heinrich Griese (geb. 1816) mit Ehefrau Irma (geb. 1817). Auswärts hielten sich am Zähltag Johann Kogelmann (geb. 1839) und Maria Griese (geb. 1841) auf.
  • Der Einlieger Wilhelm Schreiber (geb. 1810) mit den Töchtern Jette (geb. 1843) und Sophia (geb. 1855). In Sachsenburg hielt sich am Zähltag Sophia Schreiber (geb. 1817), in Schwerin Wilhelm Schreiber (geb. 1846), in Kröpelin Christian Schreiber (geb. 1848) und in Beidendorf Stine Schreiber (geb. 1852) auf.

1870 wurde ein Saal angebaut. Es war im Domanium nicht unüblich, dass Schmiede auch eine Schankerlaubnis bekamen, da ein Schmied in den Dörfern oft nicht ausgelastet war, aber im Grunde stets verfügbar sein musste. Das ließ sich in der Kombination Landwirt – Schmied – Gastwirt am einfachsten gewährleisten. 1875 erwarb Johann Roß zu einem Überlassungspreis von 15.000 Mark das Anwesen. 1878 wurde die Schmiede erweitert.

1889, nachdem die alte Handelsroute, der heutige Hanseatenweg, seine Bedeutung als Hauptweg durch Reddelich an die Chaussee, der heutigen B 105, verloren hatte, reagierte Johann Roß. Er verlegte sein Gewerbe, die Schmiede, die Krugwirtschaft und das Kaufmannsgeschäft von der Büdnerei № 3/4 zur Häuslerei Nr. 20, dem ehemaligen Straßenwärterhaus. Im selben Jahr wurde der Saal der Büdnerei zu Wohnungen umgebaut.

1890 kaufte Heinrich Utesch aus Glashagen für 18.400 Mark die Büdnerei. Nach Angabe des Nachkommens, Heinz Utesch, stammt die Familie ursprünglich aus Stülow.

Zur Volkszählung 1900 lebten auf der Büdnerei:

Der Büdner Heinrich Utesch (geb. 1860) mit Ehefrau Mine (geb. 1865) und den Kindern Martha (1889), Albert (geb. 1890) und Karl (geb. 1893);
Der Schneidermeister Ernst Schuldt (geb. 1872) mit Ehefrau Emma (geb. 1877), den Kindern Walter (geb. 1899) sowie Elsbeth (geb. 1900) und der Tante Dorathea Plötz (geb. 1821).

1901 wurde die Schmiede zu einer Wohnung umgebaut. 1917 war die Kanonregulierungsphase abgelaufen. Heinrich Utesch löste den Kanon in Höhe von 2.175 Mark ab. 1928 wurde die Büdnerei Albert Utesch zum Preis von 8.000 Mark überlassen. 1929 wurden eine Waschküche mit Trockenboden und ein Stall angebaut. 1933 wurde die Scheune vergrößert. 1936 ein Wagenschauer angebaut. 1945 lebten auf der Büdnerei Albert Utesch mit Sohn Heinz. Nach dem Krieg wurden dort eingewiesen: Elma und Gerhard Freitag aus Ostpreußen mit Mutter.

1960 trat Heinz Utesch, der die Büdnerei zwischenzeitlich geerbt hatte, in die LPG REICHE ERNTE ein. 1991 meldete Heinz Utesch einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb für Schafzucht bei den Behörden an. Bereits vorher hatte er, mit seiner Frau Betti, die Büdnerei für seine individuelle Wirtschaft genutzt. Die LPGen legten wegen des kargen Bodens keinen Wert auf die Fläche. Aus gesundheitlichen Gründen übergab er um die Jahrtausendwende die Hofbewirtschaftung, der Familie Seyer aus Bargeshagen. Nach seinem Tod 2011 erbte die Familie Seyer die Büdnerei.

In der RADUCLE Nr.  2 von 2005 veröffentlichte Sven Morwinsky ein Kurzporträt des letzten Büdners, Heinz Utesch (1924 bis 2011), der Ende 2011 ohne Nachkommen verstorben ist. Nachfolgend Auszüge daraus:

Geboren wurde Heinz Utesch am 6. Juni 1924 in Reddelich. Seine Familie ist 1890 aus Glashagen nach Reddelich gezogen. 1943 wurde er in die Wehrmacht eingezogen und an der Ostfront eingesetzt. Dort wurde er verwundet. Wegen dieser Kriegsverletzung kam er nicht in Gefangenschaft und war der Erste, der aus dem Krieg wieder nach Reddelich kam. Das war am 25.  Mai 1945. Er arbeitete sofort als Landwirt im Familienbetrieb. 1948 heiratete er Betty Seyer. 1960 Beitritt in die LPG Typ I Reiche Ernte mit Bartschat, Lux, Käckenmeister, Hoffmann, Westphal, Jenß und Houtkooper. +++ Diese LPG setzte sich nur aus Büdnern zusammen. +++ 1969 schloss sich die LPG Typ I der LPG Typ III Immer Bereit gezwungener Maßen an. +++ Von 1969 bis 1989 als Brigadier im Feldbau tätig.

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Artikel aktualisiert am 27.03.2024