Die Reddelicher Hufe VIII

Von Reinhold Griese (Recherche), Sven Morwinsky (Archivmaterial), Ulf Lübs (Text, Layout).

Von der Hufe VIII existiert gegenwärtig nur noch der ehemalige Stall und Altenteilerkaten. Der Stall ist jetzt als Bauernscheune bekannt und wird von der Eigentümerfamilie als Firmensitz, Wohnobjekt und Begegnungsstätte genutzt. Der Altenteilerkaten wurde 1931 vom Hof abgetrennt und als Häuslerei 38 verkauft. Auf dem Buerbarg, der erhöhte Bereich des ehemaligen Hofes, entstand 1996 ein kleines Wohngebiet mit Eigenheimen, Doppel- und Reihenhäusern. Der Bereich zwischen Bauernscheune und Alte Dorfstraße ist heute Gemeindezentrum mit dem Gemeindehaus, Sport- und Festplatz. Auch die Fläche des Partyhauses Hackendahl und der Parkplatz gehörten zur Hufe VIII.

Hufe VIII in heutiger Ortslage

Als erster Hauswirt lässt sich im 18. Jahrhundert Joachim Rathsack nachweisen.

1733 wurde Berthold Schwarck in die Bauernstelle als Hauswirt eingewiesen. An Vieh wurden inventarisiert: acht Pferde, vier Ochsen, zwei Kühe, zwei Starken, vier Stiere, drei Kälber, fünf Schafe, zehn Schweine, sechs alte Gänse und zehn Hühner.

1753 waren in einer Liste der Leibeigenen des Amtes Doberan von 1753 für die Hufe VIII der Hauswirt Jochim Schwarck (50) und dessen Frau Maria Rowoldt (40) aufgeführt. Die Kinder hießen Clas (24), Hans (20), Jochim (18), Albrecht (16), Margarethe (11), Berthold (9), Andreas (6) und Maria (4). Zum Gesinde gehörte Elisabeth Schoffen aus Hohenfelde. Im Katen wohnen: Hans Ruwoldt (50) und Catharina Schoffen mit Kind Joachim. Hans Vick (60) und Sabine Wittmann (60) mit Sohn Jacob lebten ebenfalls dort.

1777 wurde das Wohnhaus für den Hauswirt Clas Schwarck erbaut. Dieses Bauernhaus bestand noch bis in die 1950er Jahre.

1826 wurde Johann Heinrich Masch als Hauswirt genannt. Bei der Übernahme der Bauernstelle wurde der Viehbestand mit dem Inventar von 1733 verglichen. Es fehlten ein Pferd, ein Stier, eine Kuh und ein Kalb. Johann Masch konnte die Wirtschaft übernehmen, wenn er die Hofwehr auf den Stand von 1733 bringt.

1839 übertrug Johann Masch die Hofstelle an seine Tochter. Ihr Ehemann, der Knecht Daniel Baade, wurde Hauswirt. Das geforderte Inventar war vorhanden. Als Altenteil erhielt das Ehepaar Masch jährlich achtzehn Scheffel Roggen, ein Scheffel Weizen, fünf Scheffel Gerste, drei Scheffel Erbsen und zehn Scheffel Hafer. Die Bestimmung besagte: Wenn einer von beiden versterben würde, hätte der Überlebende nur einen Anspruch auf die Hälfte des Altenteils. Weiterhin gehörte zum Altenteil die Überlassung einer Mietwohnung im Altenteilkaten und ein billiges Taschengeld. Der Arbeitsmann Voß und seine Ehefrau, geb. Lange aus Satow verlangten von dem Erben des Hauswirtes Masch die Alimente für ein außerehelich geborenes Kind.

1867 wurde ein Altenteilerhaus erbaut, die heutige Häuslerei 38.

Zur Volkszählung 1867 lebten im Bauernhaus:

  • Der Hauswirt Daniel Baade (geb. 1816) mit Ehefrau Sophie (geb. 1831) und den Kindern Johann (geb. 1841), Marie (geb. 1854), Henriette (geb. 1855), Joachim (geb. 1857), Heinrich (geb. 1859), Karl (geb. 1862) und Sophie (geb. 1866);
  • Die Knechte Johann Schön (geb. 1842) und Johann Schönfeldt (geb. 1849), der Dienstjunge Heinrich Plackenmeyer (geb. 1850) sowie das Hausmädchen Sophie Schumacher (geb. 1850 ).

Im Katen des Gehöfts wohnten:

  • Die Witwe Engel Frahm (geb. 1787 );
  • der Einlieger Johann Kuhse (geb. 1835) mit Ehefrau Maria Kuhse (geb. 1838) und den Kindern Johann (geb. 1857), Rika (geb. 1863) sowie Joachim (geb. 1866) und
  • die Witwe Elisabeth Weitendorf (geb. 1814).

1869 verstarb der Hauswirt Daniel Baade. Er hinterließ die Witwe Sophie Baade, geb. Westendorf und den volljährigen Sohn, Johann (geboren 1841). Dieser erklärte:

Wegen meiner Krüppelhaftigkeit und Schwächlichkeit halte ich mich nicht für befähigt das väterliche Gehöft Nr. VIII hieſelbſt als Hauswirt zu übernehmen. Unter der Bedingung, daß mir auf dem Gehöfte der nötige Unterhalt gegeben und ich dort meine Obdach behalte, verzichte ich auf die Gehöftsnachfolge zugunſten meiner Halbgeschwiſter, vorausgeſetzt, daß das Großherzogliche Amt dieſen Verzicht genehmigen wird, worum ich hiermit bitte.

1874 war der Gehöftsnachfolger Joachim Baade erst 17 Jahre alt. Daher konnte die Vererbpachtung des Gehöfts nicht erfolgen. Der Erbpachtkontrakt wurde 1882 mit ihm geschlossen. Das Erbstandsgeld betrug für die 53 Hektar mit Hofwehr 25.000 Reichsmark. Diese Summe wurde 1927 in Folge der Inflation auf 6.250 Goldmark aufgewertet.

1886 wurde von der Hofstelle 6250 m² Land für den Bau der Wismar – Rostocker Eisenbahn abgetreten.

Zur Volkszählung 1900 wohnten auf dem Hof:

  • Der Bauer Joachim Baade (geb. 1856) mit Ehefrau Hennriette (geb. 1872) und den Kindern Meta (geb. 1896) und Hermann (geb. 1898);
  • Die Knechte Carl Harms (geb. 1877) und Carl Grabs (geb. 1884) sowie das Dienstmädchen Hennricke Gastmeier (geb. 1880);
  • Im Katen: Der Arbeiter Heinrich Küchenmeister (geb. 1864) mit Ehefrau Lina (geb. 1867) und den Töchtern Emma (geb. 1889), Meta (geb. 1892) und Ida (geb. 1898).

1928 (16. Dezember) vernichtete in der Nacht ein Brand den Kuh- und Pferdestall auf der Hufe VIII.

Brandstiftung auf der Hufe VIII

Von Klaus Kretschmann 2010

Zu dem Großbrand im Jahre 1928 in Reddelich berichtete im Jahr 2008 Zeitzeuge Willy Schultz (1922–2009):

Das erste Großfeuer in Reddelich, an das ich mich gut erinnern kann, war zwischen Weihnachten und Neujahr 1929, vielleicht auch in den ersten Januartagen 1930… Nach einem Streit wegen der Viehfütterung hatte ein Landarbeiter in der Nacht den Stall des Bauern Albert Schmidt angezündet. Unsere Feuerwehr versuchte zu löschen. Die Doberaner Feuerwehr kam auch. Während die Pferde gerettet werden konnten, verbrannten im Stall zehn bis fünfzehn Kühe. Der Brandstifter, der sich in einer Hecke zwischen den Grundstücken von Wilhelm Rowoldt – jetzt Wohnhaus Wellach – und Hermann Baade versteckt hatte, wurde gleich festgenommen und später vor Gericht gestellt. Exakt an der Stelle des abgebrannten Stallgebäudes befindet sich heute die Reddelicher Bauernscheune, errichtet von der Baufirma Westendorf aus Reddelich

Willy Schultz war zum tatsächlichen Zeitpunkt des Brandes ein sechsjähriges Kind. Wenn er sich auch bei der Jahreszahl irrte, stimmen seine Erinnerungen mit den jetzt vorliegenden Erkenntnissen im Wesentlichen überein.

Als der Brand gegen 3:30 Uhr von Nachbarn bemerkt wurde, schlug das Feuer schon aus dem strohgedeckten Dach des Viehhauses heraus. Verzweifelt versuchte man, die Tiere ins Freie zu führen und den Brand zu löschen. Zuerst vor Ort war die Freiwillige Feuerwehr Reddelich, die aus dem gut 100 Meter entfernten Spritzenhaus mit ihrer Handdruckspritze und zwei fahrbaren Wasserbehältern anrückte. Nach einiger Zeit traf dann die Motorspritze der Doberaner Feuerwehr ein. Auch andere Wehren aus den Nachbarorten beteiligten sich an der Brandbekämpfung. Die Feuerwehrleute mussten sich aber auf das Eindämmen des Brandes beschränken, um ein Übergreifen auf andere Gebäude zu verhindern. Besonders gefährdet war die damals gegenüberliegende Baadesche Scheune. Heute befindet sich dort der Reddelicher Fußballplatz.

Von Zeitzeugen ist überliefert, dass ganz Reddelich an diesem nächtlichen Dezembermorgen von dem brennenden Viehhaus taghell erleuchtet war. Letztlich wurde das Viehhaus bis auf die Grundmauern eingeäschert. Zuvor gelang es aber, sämtliche Pferde und 16 Kühe zu retten. 19 Rinder erstickten in den Flammen. Alle im Viehhaus gelagerten Futtervorräte, darunter ca. 100 Zentner Hafer sowie Maschinen und Stallutensilien, verbrannten. Ein Fohlen verendete später an den Brandverletzungen. (…)

Der Ostseebote vom 1. August 1929 berichtete über die juristische Aufarbeitung des Brandes von 1928.:

In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember war in Reddelich das Viehhaus abgebrannt. Der entstandene Schaden war ſehr hoch. Von 35 Haupt Rindvieh kamen 18 in den Flammen um, darunter 3 tragende Starken und 4 Milchkühe. Von den geretteten Tieren hatten noch einige Brandwunden davongetragen, woran ein Fohlen einging. Außerdem sind ein Motor, eine Schrotmühle, 100 Zentner Hafer, 60 Zentner Mengekorn und sonſtiges Futterkom mitverbrannt. Als der Täter ſtellte sich am 17. Dezember bei der Polizei in Roſtock ſelbſt der Arbeiter Emſt Ritter mit den Worten: »Ich habe das Viehhaus in Reddelich angeſteckt.« Er wurde in Haft genommen. Am Dienstag hatte sich der Angeklagte vor der Ferienſtrafkammer des Landgerichts Roſtock wegen Brandſtiftung zu verantworten. Als Motiv der Tat gab der Angeklagte an, sein Arbeitgeber habe ihm zu wenig Lohn ausgezahlt und ihn auch sonſt mißgünſtig behandelt. Die Brandſtiftung will der Angeklagte mit 2 Streichhölzern, mit denen er das Stroh im Viehhauſe anzündete, ausgeführt haben. Bei der Zeugenvernehmung des geschädigten Landwirts Sch., des früheren Arbeitgebers des Angeklagten, kam es zu einer erregten Szene im Gerichtsſaal. In seiner Wut überschüttete dieſer den Zeugen mit Schimpfworten und drohte u. a.: »Ich breche Ihnen das Genick, wenn ich mein Geld nicht kriege, so wahr ich hier stehe!« Der Staatsanwalt beantragte die Aufrechterhaltung der vom Schöffengericht Kröpelin verhängten Strafe von 5 Jahren Zuchthaus. Das Gericht verwarf die Berufung mit der Maßgabe, daß anſtatt 2 jetzt 3 Monate Unterſuchungshaft anzurechnen seien. Der Angeklagte nahm das Urteil nicht an.


1929 pachtete Albert Schmidt die die Bauernstelle. Er war der Schwiegersohn von Joachim und Meta Baade.

1929 wurde ein neues Viehhaus gebaut. Für den Hofbesitzer, der entmündigt war, haben die Vormünder Wilhelm Baade und Albert Frahm den Vertrag für den Neubau unterzeichnet. Die baupolizeiliche Abnahme erfolgte 1929.

1930 verstarb Joachim Baade und sein Sohn Hermann übernahm den Hof. Im gleichen Jahr wurden 1906 m² Land mit dem Altenteilkaten zur Errichtung der Häuslerei 38 abgetrennt. Mit dem Arbeitsmann Otto Schultz wurde ein Kaufpreis (6.250 RM) vereinbart. Durch den Verkauf der Häuslerei wurde es Hermann Baade möglich, sich das Kapital zu beschaffen, das er zur Übernahme der Hufe brauchte, um die Gläubiger der Bauernstelle auszuzahlen.

1945 lebten auf dem Hof Hermann Baade mit seiner Ehefrau Elisabeth und den Kindern Jürgen, Herbert, Gerhard und Elisabeth.

1951 nahm Hermann Baade sich, auf Grund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten, das Leben. Die Erbengemeinschaft bestand aus Frau Elisabeth Baade und den Kindern Herbert Baade (Ausbildungsleiter), Gerhard Baade und Elisabeth Baade. Der Familie wurde der Verkauf von Vieh und Inventar untersagt, um die Wirtschaftlichkeit der Bauernstelle zu erhalten. Als Käufer der Ländereien wurden genehmigt: Paul Uplegger, Hans Möller, Radivoje Zivanowic, Gerhard Baade, Friedrich Peters, Oscar Wilsky, Friedrich Wilhelm Wollenberg. Herbert Baade übernahm den Resthof von 4,56 Hektar.

Die letzte Bauernfamilie waren Friedrich Wilhelm Wollenberg und seine Frau Ilse, geb. Rowoldt. Diese flohen im April 1956 nach Westdeutschland. Nach damaliger Rechtslage fiel der Besitz dem Staat zu, der die Ländereien zur Bewirtschaftung aufteilte. Die Gebäude auf dem Hof wurden mit Ausnahme der heutigen Bauernscheune in den 1950er und 1960er Jahren wegen Baufälligkeit nach und nach abgerissen.

Die ehemalige Hufe VIII ist ein gutes Beispiel, wie sich ein uralter Bauernhof einfach so auflöst, ohne dass dem eine einzelne Ursache zugeordnet werden kann. Die vielen Pächter und Besitzer der Bauernstelle hätten es sich wohl nie erträumt, dass ihr Hof einst zum kulturellen und sportlichen Dorfzentrum wird. Wo über Jahrhunderte das Wohnhaus mit Garten stand werden heute auf einer großzügigen Freifläche Sport- und Dorffeste abgehalten. Von der ursprünglichen, landwirtschaftlichen Nutzung zeugt die Bauernscheune, deren Erhalt durch zeitgemäße Nutzung auf unbestimmte Zeit gesichert ist. Die Bewohner der, in der Mitte der 1990er Jahre errichteten Eigenheimsiedlung Buerbarg, werden durch den Namen ihrer kleinen Siedlung auf dem Gelände der ehemaligen Hufe VIII, permanent an deren Geschichte als Teil eines Bauernhofes erinnert.


Artikel aktualisiert am 07.01.2024