Die Geschichte der Reddelicher Schule

Von Reinhold Griese (Recherche), Sven Morwinsky (Archivmaterial), Ulf Lübs (Text, Layout).

Inhalt
  • Einleitung
  • Chronik relevanter Ereignisse
  • Mecklenburger Dorfschulen im allgemeinen
  • Die Reddelicher Schule
  • Meine Schulzeit in Reddelich, von Bernd Lahl
  • Von der Dorfschule aus früheren Zeiten, von Reinhold Griese
  • Erinnerungen, von Rolf Klewin
  • Bildanhang mit Klassenfotos und Schulbildern

Die ehemalige Reddelicher Schule ist und war als solche eigentlich nicht zu erkennen. Anders als bei öffentlichen Schulen in den Städten wurden im ländlichen Raum keine Spezialgebäude errichtet. Konzipiert wurden Landschulen meist als Wohnhaus für den Lehrer mit seiner Familie und einem oder mehreren Klassenzimmern im Haus. Somit waren diese vom Charakter her eher Büdnereien und wurden oft auch als solche geführt. Allerdings hatten die Lehrer keine Eigentumsrechte an den Gebäuden und dem Inventar. Auch zur Reddelicher Schule gehörten vier Hektar Ackerland, eine Wiese von 5400 m² und einen Garten von 1300 m² sowie landwirtschaftliche Nebengebäude wie Stall und Scheune.

Für die Qualität Ausbildung der Kinder auf den Dörfern war es daher oft vom Zufall abhängig, ob sich der Lehrer eher als Büdner mit Nebenjob Lehrer oder als engagierter Lehrer mit einer Nebenerwerbslandwirtschaft sah. Jede Tätigkeit für sich reichte jedenfalls zum Lebensunterhalt nicht aus. Ausführlich sind diese Zusammenhänge von Reinhold Griese und Bernd Lahl in der Dorfzeitung Raducle dargestellt, die nachfolgend auf dieser Seite, mit freundlicher Genehmigung der Autoren, zitiert werden.

Chronik relevanter Ereignisse

1769 Lehrer Bahlmann unterrichtete an der Schule in Reddelich bis 1795. Seine Witwe erhielt ab 1795 eine jährliche Unterstützung von 12 Talern und zwei Fuhren Abfallholz. Wo sich das Schulgebäude befand ist nicht bekannt.

1771 wurde eine Herzogliche Schulordnung mit Schulpflicht im Domanium erlassen. Damit setzte das Herzoghaus eine allgemeine, bildungspolitische Entwicklung in seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich um. Die Durchsetzung erfolgte jedoch oft nur halbherzig und die Qualität der Schulbildung hing stark vom Engagement der verantwortlichen Beamten und Lehrer ab. Um wenigstens etwas Qualität in die dörfliche Schulbildung zu bringen und diese nicht komplett der Kirche zu überlassen, wurde 1786 in Ludwigslust ein Landesschulmeisterseminarium gestiftet. Dort wurden jeweils fünfzehn Schulmeister ausgebildet.

1784 gab der Rostocker Verlag "Bei Adler’s Erben" eine Fibel heraus. Diese ist Beispiel für den zeitgenössischen Unterrichtsstoff:

1795 Lehrer Johann Lange unterrichtete in Reddelich bis 1810.

1800 Der Lehrer Johann Lange wendete sich im Alter von 67 Jahren an den Herzog mit der Bitte, nach seinem Ableben seinem Schwiegersohn, dem Tischler Trede aus Vorderbollhagen, die Schulstelle in Reddelich zu geben, damit seine kränkliche Frau und sein minderjähriger Sohn versorgt werden. Lehrer Johann Lange musste am Ende seiner Dienstzeit 77 Jahre alt gewesen sein.

1810 Lehrer Friedrich Jürkvitz, geboren am 5. März 1771 in Hohenfelde, wirkte in Reddelich bis 1845. In einer Urkunde des Großherzogs vom 19. Mai 1845 wurde einem Lehrer Jürkwitz zu Reddelich eine Pension von jährlich 80  Talern gewährt. Demnach war der Lehrer Jürkwitz bis 1845 Schullehrer in Reddelich und war der erste Lehrer in Reddelich, der nicht bis zu seinem Ableben unterrichten musste, sondern vorher eine Pension bekam. Zu zahlen hatten diesen Betrag zu gleichen Teilen die Doberaner Amtskasse, die Amtsschulkasse und das Dorf.

1827 Um den Obstbau in Mecklenburg zu forcieren erließ der Herzug am 24. Februar 1827 ein Regulativ für die von den Schulmeistern zu übernehmenden Obstbaumschulen. Lehrer wurden nur noch eingestellt, wenn diese nachweisen konnten, dass sie im Obstbau befähigt waren. Bereits etablierte Schulmeister wurden verpflichtet, sich auf Kosten der Schulkasse unterweisen zu lassen. In den Domanialdörfern waren Obstbaumschulen anzulegen, die von den Schulmeistern betreut wurden. Die Schulkinder waren dort, am praktischen Beispiel, in Obstbau zu unterrichten. [31]

1835 verfügte der Herzog Pensionszahlungen auch für Dorfschullehrer.

1843 (12. Juli): Der Chausseegeldeinnehmer im Chausseehaus (Hebestelle) bei Reddelich, Johann Engel (geb. 1803), beschwerte sich über die Unzulänglichkeit der Schulbildung an der Dorfschule in Reddelich. Er würde seine Kinder lieber nach Doberan oder Kröpelin schicken, was nur genehmigt wird, wenn er trotzdem Schulgeld in Reddelich bezahlt.

1852 Neubau einer Schule in Reddelich als massives Haus mit Steindach. Zur Schule gehörte ein strohgedeckter Stall mit Scheune und vier Hektar Ackerland beim Gehöft, eine Wiese von 54  ar (5400 m²) und ein Garten von dreizehn ar. Das Gebäude steht heute noch und wird als Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung genutzt. Wo die Kinder vor 1852, dem Jahr der Errichtung des Schulgebäudes, unterrichtet wurden ist nicht ermittelt. Anzunehmen ist, dass dazu im Schulzenhaus ein Raum zur Verfügung gestellt wurde.

1904 Die Reddelicher Schulstelle wurde an Lehrer Prösch vergeben. Das Gehalt des Lehrers Prösch betrug 105 Mark und fünfzehn Zentner Roggen. Als Feuerung erhielt er das übliche Deputat in Buchen- und Eichenholz sowie 4000 Soden Torf. Die Schule war einklassig und mit sechzig bis siebzig Schülern belegt. Lehrer Prösch war Mitglied der Molkereigenossenschaft, des Spar- und Darlehensvereins sowie des Gesangvereins.

1906 (März): Mitteilungen über Überschreitungen des Züchtigungsrechts durch Lehrer soll nur bei einer durch einen beamteten Arzt nachgewiesenen Schädigung der Gesundheit erfolgen.

1910, am 8. November: Lehrer Prösch veranstaltete im Saal des Gasthofes Roß eine Schulfeier zu Ehren des 100. Geburtstages von Fritz Reuter. Er hielt einen Vortrag über Leben und Werk Fritz Reuters. Es fand eine gemeinsame Kaffeetafel mit den Kindern statt.

1924, am 14. April wurde die Schule einer tiefgehenden Prüfung durch den Schulrat Dabeler unterzogen. Diese Prüfungen wurden Zwischen 1920 und 1922 an allen Dorfschulen durchgeführt. Für Reddelich wurde dort beschrieben:
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1946: Ein Schulgesetz für Mecklenburg wurde erlassen.
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1947: Schaffung eines zweiten Klassenraumes in der Reddelicher Schule. Die Klassen 1 bis 4 und die Klassen 5 bis 8 wurden fortan jeweils in separaten Klassenräumen unterrichtet.

1954: Die Schüler der 7. und 8. Klassen aus Reddelich wurden fortan in Bad Doberan beschult.

1965, im November waren die Planungen für einen Schulanbau abgeschlossen und die Baugenehmigung erteilt. Warum es sich Partei und Regierung anders überlegt hatten und die Schule bald darauf schlossen, ist nicht bekannt.
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1966: Die Schule in Reddelich wurde aufgelöst. Die Schüler bis zur 4. Klasse wurden fortan in Steffenshagen unterrichtet, die Übrigen in Bad Doberan.

1988, am 24. September trafen sich ehemalige Schüler und Lehrer der Reddelicher Schule zu einem geselligen Abend.
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Der geregelte Schulunterricht auf dem Lande begann in Mecklenburg mit der Reformation. Im Jahre 1549 wurde durch den Landtag in Sternberg das evangelische Bekenntnis als bestimmende Religion für alle Mecklenburger angenommen. Die Kirchenordnung, die drei Jahre später vom Herzog erlassen wurde, bestimmte, dass in der Schule die Kinder in der christlichen Lehre und Zucht erzogen werden sollen. In der revidierten Kirchenordnung von 1602 (erneute Veröffentlichung von 1652) heißt es für die Unterrichtung der Dorfkinder: »Auf den Dörfern soll der Pastor oder Küster samt ihren Frauen auch Schule halten und etliche Knaben und Mägdelein in Katechismus, im Gebet, im Lesen, Schreiben und Nähen unterweisen, damit die jungen Leute daselbst nicht aufwachsen wie das unvernünftige Vieh.« Reddelich und Brodhagen gehörten zu den domanialen Dörfern. Patron der Schule war in diesen Dörfern der Herzog. Hier gab es im Vergleich zu den Schulen in den ritterschaftlichen Dörfern einige günstigere Bedingungen für den Schulunterricht.

Die Tätigkeit der Lehrer wurde bestimmt durch die herzogliche Schulordnung von 1771, die den Schulbesuch zur Pflicht machte. Das fiel nach der Schulordnung von 1823 weg. Die Einteilung in Winter- und Sommerschule blieb bestehen. Die mecklenburgische Landschule blieb in den ursprünglichen Zielsetzungen der landesherrlichen Schulordnung von 1771 gefangen. Eine öffentliche Erklärung des engeren Ausschusses von 1771, einer ständischen Institution, die auf den Landtagen gewählt wurde, die Stände zwischen den Landtagen vertrat und einen großen Einfluss auf die gesamten Geschicke des Landes nahm, waren typisch für die Charakterisierung des ländlichen Schulwesens im damaligen Mecklenburg. So sei der freie Unterricht in Gottesfurcht für die untertänigen Kinder ausreichend. Dem Bauersmann würde nichts daran liegen, ob seine Kinder im Schreiben und Rechnen Unterricht bekommen.

Wenn von der Reddelicher Schule die Rede ist, wird meistens über das 1852 gebaute Gebäude gesprochen. Wo die Kinder vorher unterrichtet wurden wissen wir nicht. Zu vermuten ist ein Standort auf der Hufe IV, dem Schulzenhof. Dafür spricht auch der Standort der 1852 erbauten Schule am Rand der Hufe.

1769 taucht erstmalig ein Reddelicher Lehrer in den Domanialakten auf. Lehrer Bahlmann unterrichtete an der Schule in Reddelich bis zu seinem Tod 1795. Seine Witwe erhielt ab 1795 eine jährliche Unterstützung von 12 Talern und zwei Fuhren Abfallholz. Ein Schulgebäude lässt sich für diesen Zeitraum nicht belegen. Daher ist zu vermuten, dass der Unterricht in einem Raum im Schulzenhaus stattfand.

Von 1795 bis 1810 war Johann Lange Lehrer in Reddelich. Er stand im Jahre 1800 mit 67 Jahren noch vor der Klasse. Er machte sich Sorgen, wie es mit seiner kränklichen, zwanzig Jahre jüngeren Frau und seinem unmündigen Sohn nach seinem Ableben weitergehen sollte. In einem Brief an die herzogliche Durchlaucht bittet er, dass nach seinem Tod sein Schwiegersohn, Joachim Trede, Tischler in Vorderbollhagen, die Schulstelle in Reddelich erhält, um seiner Frau und seinem Sohn Pflege und Unterhalt zu geben. Dem Brief sind zwei Empfehlungsschreiben beigefügt. In einem Schreiben von dem Beichtvater des Schwiegersohns, dem Pastor Hommel aus Steffenshagen, wird dem Bewerber für das Lehramt bescheinigt, dass er »jederzeit eines guten Wandels beflissen und zum Schuldienst tüchtig ist«. Weiterhin bittet der Pastor den Herzog, den Tischler Joachim Trede die Schulstelle zu überlassen, damit Frau Lange und ihr Sohn »eine höchst nötige Unterstützung erhalten und nicht darben müssten«. Der Brotgeber von Joachim Trede, der Pächter G. Burmeister des Gutes Vorder Bollhagen, schreibt in seinem Empfehlungsschreiben vom 13. Oktober 1800: »Daß der Joachim Trede, welcher sechs Jahre bei mir in Arbeit geſtanden hat, sich jederzeit treu und redlich aufgeführet hat, bescheinige ich mit meinem Namen Unterschrift«. Dieser Bitte wurde augenscheinlich nicht stattgegeben. Lehrer Johann Lange musste am Ende seiner Dienstzeit 77 Jahre alt gewesen sein. Was aus der Familie von ihm wurde, ist nicht bekannt.

Interessant ist, dass sich ein Handwerker als Schulmeister bewarb. Das war für die damalige Zeit jedoch ganz normal, denn eine umfassende spezielle Lehrerausbildung gab es noch nicht. Anderseits konnte ein Schulmeister von seiner Entlohnung alleine nicht leben. Dazu brauchte er noch eine Nebeneinnahme, in diesem Fall als Handwerker. Der weiter oben erwähnte Engere Ausschuss wies 1774 darauf hin, dass ein »in Gottesfurcht und der Lehre des heiligen Wortes genugsam geübter und mit Segen lehrender Handwerksmann, der sich außer der Schulzeit sehr nützlich beschäftigt und sich damit ein bequemes Auskommen zu verschaffen weiß«, der richtige Lehrer sei.

1810 wurde Lehrer Friedrich Jürkvitz, geboren am 05. März 1771 in Hohenfelde, in die Reddelicher Schulstelle eingesetzt. In einer Urkunde des Großherzogs vom 19. Mai 1845 wurde ihm eine Pension von jährlich 80 Talern gewährt. Demnach war der Lehrer Jürkwitz der erste Lehrer in Reddelich, der nicht bis zu seinem Ableben unterrichten musste, sondern vorher eine Pension bekam. Zu zahlen hatten diesen Betrag zu gleichen Teilen die Doberaner Amtskasse, die Amtsschulkasse und das Dorf. Grundlage dafür war eine entsprechende Verfügung des Herzogs von 1835.

1825 erließ der Herzog ein Regulativ zur Förderung des Obstanbaus im Domanium. Obst diente nicht nur der Verbesserung der Versorgung sondern auch der Einnahmen aus dem Export. Schulmeister wurden fortan nur noch eingestellt, wenn diese nachweisen konnten, dass sie im Obstbau befähigt waren. Zur Befähigung wurden in Schwerin Seminare zum Thema Obstbau angeboten. Bereits etablierte Schulmeister wurden verpflichtet, sich auf Kosten der Schulkasse unterweisen zu lassen. In den Domanialdörfern waren Obstbaumschulen anzulegen, die von den Schulmeistern betreut wurden. Die Schulkinder waren dort, am praktischen Beispiel, in Obstbau zu unterrichten. Dies galt auch für Reddelich und Brodhagen. Da wir nicht genau wissen, wo die Kinder vor 1852 unterrichtet wurden kann über den Standort der Baumschule auch nur spekuliert werden.

Zur Volkszählung 1867 lebten im Schulhaus der Lehrer Hermann Mât (geb.1817) mit Ehefrau Sophie (geb.1817) und den Kindern Auguste (geb.1854), Sophie (geb.1856), Ida (geb.1858), Otto (geb.1860) und Adolph (geb.1866). Sein Sohn Karl (geb. 1850) hielt sich am Zähltag in Neukloster auf.

Zur Volkszählung 1900 wohnten im Schulgebäude der Lehrer Bernhard Dahnke mit Ehefrau Emma (geb. 1855), den Kindern Johanna (geb. 1889), Karl (geb. 1892). Marie (geb. 1894) sowie Helene (geb. 1897) und dem Hausmädchen Bertha Zachow, (geb. 1884).

1910, am 8. November veranstaltete Lehrer Prösch eine Schulfeier im Saal des Gasthofes Roß, zu Ehren des 100. Geburtstages von Fritz Reuter.

1934 bekam Elfriede Mahn, offensichtlich die Ehefrau von Lehrer Mahn, eine Anstellung als Handarbeitslehrerin. Dies wurde seinerzeit nicht als Vetternwirtschaft angesehen, sondern wurde aus pragmatischen Gründen oft so gehandhabt. Es musste keine neue Unterkunft für eine Auswärtige Lehrerin bereitgestellt werden.

1945 lebten im Schulgebäude der Lehrer Hans Mahn mit Ehefrau Elfriede und den Kindern Gerda, Lotte sowie Käthe. Nach Kriegsende wurden Richard Milde mit Ehefrau Frieda und den Kindern Manfred und Irmgard aus Schlesien in der Schule einquartiert.

Der erste Aktennachweis vom Schulbetrieb nach 1945 ist vom 26. September 1945. Darin schrieb Bürgermeister Rowolt an den Landrat: »Es sind alle Vorkehrungen getroffen worden, um die Schule am 1. Oktober beginnen zu lassen. Ich bitte um Mitteilung, welche Lehrkräfte die Schule abhalten sollen.« Die Antwort kam am 24. Oktober vom Schulrat: »Für die dortige Schule sind als Lehrer bestimmt: Lehrer Hans Mahn und Lehrerin Frau Elsbeth Düring.«

Ans Fotografieren hat unmittelbar nach dem Krieg kaum jemand gedacht. So gibt es es kein Foto von der Einschulung 1946. Immerhin wurden in dem Jahr 24 Kinder in Reddelich eingeschult: Baade Ingrid, Bartels Toni, Bohn Rudolf, Doese Friedrich-Wilhelm, Duve Hans-Werner, Erichson Franz, Jakubowski Jutta, Kensbock Irene, Kruth Anke, Kruth Wilhelm, Matulla Klaus, Mertins Siegfried, Morwinsky Manfred, Nehrenheim Helga, Palluch Helga, Schlutow Toni, Stump Renate, Susemihl Horst, Trampenau Arno, Wendland Inge, Werschun Helga, Worrner Hannelore, Worrner Karla, Zander Wolfgang.

Im Februar 1946 meldete Lehrer Mahn, nach Aufforderung, an den Kreisschulrat: »… An hiesiger Schule sind erkrankt: a) an Krätze 6 Kinder, b) an Borkenflechte 8 Kinder und c) an Furunkulose keine Kinder

Im Oktober 1946 mahnte der Kreisschulrat den Rektor der Oberschule Bad Doberan, die Bereitstellung eines zweiten Klassenraum in der Reddelicher Schule zu realisieren. Eine eingesetzte, dritte Lehrkraft wurde von Lehrer Schadow wegen des fehlenden Zimmers nach Hause geschickt.

1947, im Mai berichtete die Schulverwaltung des Rates des Kreises über die Reddelicher Schule. Bescheinigt wurde dort ein äußerlich netter Eindruck mit gepflegten Außenanlagen, bestelltem Schulacker und Lehrergarten zur Selbstversorgung. Kriegsflüchtlinge waren zu diesem Zeitpunkt in der Schule keine mehr untergebracht. Kommisarischer Schulleiter war Herr Schadow, der die volle Unterstützung der Gemeinde hatte. Zweite Lehrerin war Fräulein (Frl.) Schröder, die in der Schule anständig untergebracht war. Gerügt wurde das "Reih-um-Essen", zur Versorgung von Frl. Schröder. Bei dieser, aus der Not geborenen Versorgung, wurden vorwiegend Junglehrer auf dem Land bei täglich wechselnden Bauernfamilien zum Essen eingeladen. Frl. Schröder signalisierte dem Gutachter ihr Einverständnis mit dieser Lösung.

Beanstandet wurde das undichte Dach der Schule und der schlechte Bauzustand der zur Schule gehörigen Scheune. Auch die Schadhafte Umzäunung des Schulgeländes und des Lehrergartens gehörten zur Mängelliste. Dafür war die Reinigung des Abortes nicht zu beanstanden. Der (Plumps-) Eimer wurde täglich geleert.

Der CDU-Kreisverband sah sich im August 1948 genötigt, eine Beschwerde über die Verhältnisse an der Schule Reddelich an den Rat des Kreises Rostock vorzubringen. Danach wurde ein nicht näher benannter Schüler ermächtigt, für eine häufiger abwesende Lehrerin einzuspringen. Er durfte sogar Schulstrafen wie Nachsitzen verhängen.

1965 stellte die Gemeinde einen Bauantrag für die Rekonstruktion der Schule mit einem Erweiterungsbau. Dieser sollte rechtwinklig an das Bestandsgebäude, an der Nordostseite, angebaut werden. Geplant war ein eingeschossiges Gebäude von 16 m Länge und 7 m Breite. Entstehen sollten darin ein zweites Klassenzimmer, ein Hortraum und ein Sanitärtrakt mit Waschräumen und Toiletten, getrennt für Jungs und Mädchen. Realisiert wurde das Vorhaben jedoch nicht mehr. 1966 wurde die Reddelicher Schule aufgelöst. Die Schüler bis zur 4. Klasse wurden in Steffenshagen unterrichtet, die übrigen in Bad Doberan.


Von der Dorfschule aus früheren Zeiten

Ein Artikel aus der Reddelicher Dorfzeitung Raducle, Ausgabe 10 und 12 (2009 und 2010) von Reinhold Griese.

Einige Schreiben von Lehrern und Eltern aus Reddelich und Brodhagen künden vom traurigen Los der Lehrer und Schüler. Wenn es die Eltern wünschten, dass ihre Kinder schreiben und rechnen lernen sollten: »so hindert es sie ja nichts, in Ermangelung eines dazu tüchtigen Schulmeisters ihren Aufenthalt anderswo im Land zu nehmen«. Das war aber nur denen möglich, die nicht an der Scholle gebunden waren. Die Bewerber für eine Schulstelle mussten eine Prüfung vor einer Kommission ablegen, deren Vorsitzender zumeist der Pfarrer war. Lehrer Lange wies auch in seinem Schreiben darauf hin, dass sich sein Schwiegersohn gerne einer solchen Prüfung unterziehen würde.

Bekannt ist, dass es gerne gesehen wurde, wenn zur Versorgung von Lehrer- und Pastorenwitwen junge Bewerber für das Amt diese heirateten Das Beispiel der Lehrerwitwe Bahlmann aus Reddelich zeigt, dass ihr eine Unterstützung mit jährlich 12 Taler an Geld und zwei Fuhren Abfallholz nur aufgrund eines flehentlichen Bittgesuchs (Supplikation) im Jahre 1795 bewilligt wurde. Die Lehrer mussten bis ins hohe Alter, sozusagen bis zu ihrem Ableben, ihre Tätigkeit verrichten. Manche konnten nicht einmal mehr ordentlich sprechen. Was das für sie und die Schüler bedeutete, kann man sich sehr gut vorstellen. Dienstunfähige Lehrer bekamen bis zum Jahre 1835 nur sehr selten ein angemessenes Ruhegeld unter Beachtung der Verhältnisse und Localitäten. In einer Urkunde von Friedrich Franz von Gottes Gnaden Großherzog von Mecklenburg vom Jahre 1845 wird dem Schullehrer Jürkwitz zu Reddelich: »…bei seinem Zurücktreten aus dem Schuldienst eine jährliche Pension von 80 Thalern bewilligt, welche zu gleichen Teilen aus der Doberaner Amtskasse, der Amtsschulkasse und der Gemeinde zu zahlen ist

Auch Eltern wenden sich untertänig an den Großherzog und führten Klage über bestehende Schulverhältnisse. So der Pächter der Kalkbrennerei in Brodhagen Elsner im Oktober 1816. Er muss seine Kinder nach Reddelich zur Schule schicken und dem dortigen Schulmeister das Schulgeld bezahlen. Der Weg dorthin sei aber besonders im Winter sehr beschwerlich. Der Schulweg nach Steffenshagen sei aber günstiger. Wenn er deshalb gezwungen ist, seine Kinder nach Doberan oder nach Steffenshagen zu schicken, muss er doppeltes Schulgeld bezahlen. Das fällt ihm aber schwer und er bittet »demütigst« darum, ihn »von der Bezahlung des Reddelicher Schulmeisters loszusprechen«.

1843 beschwerte sich der Chausseegeldeinnehmer von der Reddelicher Hebestelle im Chausseehaus, Johann Engel (geb. 1803), über die Unzulänglichkeit der Schulbildung an der Dorfschule in Reddelich. Sein Schreiben an die großherzogliche Landesregierung zu Schwerin, ist bezeichnend für die Charakterisierung nicht nur der Schule in Reddelich, sondern des ländlichen Schulwesens im damaligen Mecklenburg überhaupt:

…ich bin in der Folge der beim Amt Doberan beſtehenden Anordnung verpflichtet, meine Kinder zur Schule nach Reddelich zu schicken und muß dafür 2 Taler bezahlen. Wenn nun dieſer Betrag billig zu nennen iſt, ſo erlaube ich mir doch untertänigſt zu bemerken, daß Kinder, welche sich etwas mehr, wie gewöhnlich ausbilden sollen, in Reddelich den erforderlichen Unterricht nicht genießen können, weil dort nur das Allernotwendigste für Landkinder, welche vielleicht nichts weiter verlangen oder bedürfen, vorgetragen wird. Ich wünsche nun meinen Kindern einen etwas besseren Schulunterricht erteilen zu lassen, der wie erwähnt, zu Reddelich nicht zu erhalten ist und beabsichtige meine Kinder in die nahe gelegene Stadt Croepelin oder in Doberan die Schule besuchen zu lassen, müße aber in dieſem Fall dennoch den bestimmungsmäßigen Schulbeitrag an das Amt Doberan entrichten und somit ein doppeltes Schulgeld zahlen, was meine Kräfte übersteigen würde.

Aus diesem Grunde möchte der Briefschreiber von dem Schulzwang nach Reddelich befreit werden. Diese aktenkundige Aussage bestätigt für Reddelich den Tenor zeitgenössischer Aussagen zur Qualität vieler ländlicher Schulen.

Um seinen Kindern eine gute Ausbildung angedeihen zu lassen, beschäftigte der Erbhofpächter Baade zu Reddelich in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Privatlehrerin Wilhelmine Hermes. Da sie Kinder im Alter von über 10 Jahren auch aus anderen Familien unterrichtete, benötigte sie dafür die Genehmigung des großherzoglichen Ministeriums. Der Pastor Thiemig aus Steffenshagen hatte sich dafür eingesetzt. Dem Ersuchen wurde unter der Bedingung stattgegeben, dass die Privatlehrerin sich einer Prüfung bei einer Kommission unterzog, die vom Amt Doberan bestellt wurde. Weiterhin musste der Erbpächter Baade trotzdem seinen Anteil an den öffentlichen Schullasten (Schulgeld) tragen.

Die ehemalige Reddelicher Dorfschule ist im Jahre 1852 als massives Haus mit Steindach erbaut worden. Im Hause waren ein Klassenraum und eine Lehrerwohnung eingerichtet. Hinter diesem Gebäude befanden sich gesondert Stall und Scheune mit Strohdach und angebautem Plumpsklo. Zur Schulstelle gehörten 4 Hektar Acker beim Gehöft, eine Wiese von 54 Ar und ein Garten von 13 Ar. Die Schule wurde als Volksschule bis 1945 einklassig vom 1. bis zum 8. Schuljahr geführt.

Durch die Auswertung von Volkszählungen und Kirchenbüchern der Kirchgemeinde Steffenshagen sowie Erzählungen älterer Reddelicher konnte ich für den Zeitraum von 1852 bis 1945 acht Lehrer in Reddelich ermitteln. So wirkten an der Schule in Reddelich der Reihe nach folgende Lehrer: Johann Wacker (1817-1895), Christian Mât (1818-1889), Heinrich Hoop [oder Koop] (1838-1893), Bernhard Dahnke (wird 1896 und 1897 erwähnt), Friedrich Prösch (1872-1917), Bernhard Rausch (wird 1917 erwähnt), Lehrer Kreuzfeldt (den Vornamen und die Lebensdaten konnte ich bisher nicht ermitteln) und Hans Mahn (die Lebensdaten sind mir nicht bekannt).

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden im Domanium die Bauernstellen in Erbpacht vergeben. Im Zusammenhang damit wurden freie Landgemeinden gebildet, die künftig ihre Angelegenheiten selbst verwalten sollten. Dazu gehörte auch die Unterhaltung der Schulen. Die Oberaufsicht über die Gemeinden Reddelich und Brodhagen wurde durch das Domanialamt Doberan ausgeübt. Ein Dorfschulze und zwei Schöffen wurden dazu vom Amt eingesetzt. Um die vermehrten Schul- und Gemeindelasten zu tragen, erhielt im Jahre 1907 die Gemeinde Reddelich aus der Aufsiedlung der Bauernstelle IX unentgeltlich 3300 Quadratruten (fast 7 Hektar) auf dem Klosterberg. Diese Ländereien wurden an Reddelicher verpachtet. Die erzielten Finanzen wurden u. a. zur Unterhaltung der Schule verwendet.

Dem Jahrbuch mecklenburgischer Volksschullehrer von 1906 können wir entnehmen, dass seit 1904 der Lehrer Prösch der Stelleninhaber war. Sein Gehalt betrug 105 Mark und 15 Zentner Roggen. Als Feuerung erhielt er das übliche Deputat in Buchen- und Eichenholz und 4000 Soden Torf. Damit musste er auch den Klassenraum heizen. Der Schulacker wurde durch eigene Bewirtschaftung und durch Verpachtung genutzt. Er war Teil der Lehrerbesoldung. Besonders betont wird im Jahrbuch, dass Herr Prösch Mitglied der Molkereigenossenschaft in Reddelich war. Das bedeutete, dass er mindestens eine Kuh hielt. Lehrer Prösch war auch Mitglied des Spar- und Darlehensvereins und des Gesangvereins.

Lehrer Prösch unterrichtete nach dem neuen Lehrplan, der 1902 an den Domanialschulen eingeführt wurde. Fächer waren, neben Religion als Hauptfach mit einem Viertel der Unterrichtszeit, Deutsche Sprache (Lesen, Schreiben und Sprechen), Rechnen, Erdkunde, Geschichte, Naturkunde, Singen, Zeichnen, Turnen für die Knaben und Handarbeiten für die Mädchen. Auskunft über den Inhalt des Unterrichts in den einzelnen Fächern geben uns die Lehrbücher, die an der Schule in Reddelich zu dieser Zeit benutzt wurden. Im Religionsunterricht wurden biblische Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament, die Geschichte des Reiches Gottes im Alten wie im Neuen Bunde einschließlich Bilder aus der Kirchengeschichte behandelt. Im Lehrbuch für den Religionsunterricht ist weiterhin ein Verzeichnis der aus dem Katechismus, der Bibel und dem Mecklenburgischen Kirchengesangbuch zu lernenden Stücke enthalten. Grundlage für den Unterricht war der Landeskatechismus von 1717, der im Jahre 1913 vom damaligen Herzog neu herausgegeben wurde.

Die mecklenburgischen Lesebücher von 1886 und 1916 enthalten Texte, die die Schüler im Sinne der damaligen Obrigkeit beeinflussen sollten. Wie muss sich ein Landarbeiterkind gefühlt haben, wenn ihm in einem Lesestück über die beiden Wichtelmänner Sparwas und Habwas erzählt wurde, dass man nur sparen muss, um zu Reichtum zu kommen. In einer anderen Geschichte wird ein guter Knecht von dem Gutsbesitzer belohnt. Andere Erzählungen sollen dazu beitragen, soziale Unterschiede zu verneinen. Die Schüler wurden durch Lesestücke aufgefordert, ihren Oberen gegenüber bescheiden und gehorsam zu sein. Diese Beispiele ließen sich noch beliebig fortsetzen. Erwähnt werden muss aber auch, dass die Bücher durchaus auch Lesestücke und Gedichte von berühmten deutschen Dichtern enthielten. Bezeichnend ist weiterhin, dass viele Geschichten dazu beitrugen, Feindseligkeiten am Vorabend des Ersten Weltkrieges gegen Frankreich zu schüren. Das gebot der damalige Geist in Deutschland.

Im Rechenunterricht wurde sehr viel Wert auf die Behandlung des Einmaleins und das Kopfrechnen gelegt. Für die Fächer Erdkunde, Geschichte, Naturkunde und Naturlehre gab es gemeinsam ein Lehrbuch. Im Geschichtsunterricht stand die Geschichte Mecklenburgs mit seinen Herrscherhäusern, der deutschen Königshäuser sowie der Kriege im Mittelpunkt.

Insgesamt war die Erziehung der Schüler geprägt durch Zucht, Ordnung und Gehorsamkeit. Ziel war es, willfährige Untertanen zu erziehen und zu bilden. Soziale Unterschiede wurden auch im Schulbesuch der Kinder des Dorfes deutlich. Herr Sven Morwinsky stellte mir aus seiner Sammlung die Klassenbücher von 1895 bis 1915 zur Auswertung zur Verfügung. Aus ihnen geht hervor, dass die Bauernsöhne die Schule in Doberan besuchten. Die Kinder vieler Häusler und Einlieger (Mieter) mussten sich in den Sommermonaten als Hüte- bzw. Dienstkinder bei den Bauern verdingen.

Lehrer Prösch war neben seiner Lehrertätigkeit sehr aktiv in der Gemeinde tätig. So führte er im Februar 1906 gemeinsam mit Pastor Otto aus Steffenshagen im Saal des Gastwirtes Roß einen Elternabend durch. Herr Pastor Otto und Herr Lehrer Prösch hielten Vorträge über die "Geschichte der Volksschule" und "Die Bedeutung der Volksschule für die Gegenwart". Der übrige Teil der Feier bestand aus Deklamationen und Liedvorträgen der Kinder.

Im November 1910 führte Lehrer Prösch eine öffentliche Schulfeier anlässlich des 100. Geburtstages von Fritz Reuter, ebenfalls im Saale des Gastwirtes Roß, durch. Die Veranstaltung wurde mit Gesang und Deklamationen aus Fritz Reuters Werken durch die Schulkinder umrahmt. Lehrer Prösch hielt einen längeren Vortrag über Reuters Leben und Werk. Die Feier wurde mit einer Kaffeetafel der Kinder beendet.

Lehrer Prösch leitete auch den Männergesangsverein, den es seit 1892 in Reddelich gab. Weiterhin war er Rechner des Spar- und Darlehnskassenvereins. In dieser Eigenschaft erstattete er auf den jährlichen Generalversammlungen die Geschäftsberichte. Durch diese Aktivitäten erwarb sich Friedrich Prösch ein hohes Ansehen in Reddelich. Leider ist er nach langer Krankheit schon mit 44 Jahren verstorben.


Zeitzeugenberichte


Allgemeine Bilder der Reddelicher Schule


Klassenfotos

Artikel aktualisiert am 27.01.2024